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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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will, er habe etwas ‚fĂŒr Geld‘ bzw. im Auftrag einer Redaktion geschrieben: Das Rezensieren von BĂŒchern sei fĂŒr die Kritiker, so Bernhard in den von Kurt Hofmann aufgezeichneten GesprĂ€chen, „ein ganz primitives, lebenserhaltendes, familienerhaltendes G’schĂ€ft“.242 Nicht von ungefĂ€hr bediente er sich fĂŒr seine publizistischen Interventionen mit Vorliebe der Gattung des Leserbriefs bzw. des offenen Briefs, weil hier die Aktion ganz vom Schreibenden selbst ausgeht.243 In öffentlichen Äußerungen zur Gegenwartsliteratur beschrĂ€nkte Bernhard sich meist auf abschĂ€tzige Kommentare und pauschale Diffamierungen. Gleichwohl sind Spuren eines (literatur)kritischen Gestus in zahlreichen Wer- ken des Autors zu entdecken: Schon die Protagonisten frĂŒher Prosatexte  – etwa in Das Verbrechen eines Innsbrucker Kaufmannssohns (1965)  – rĂŒhmen sich ihres „Scharfsinn[s]“, der „alles“ einer „in fast allen FĂ€llen tödlichen Kritik“ unterwirft (TBW 14, 69), laborieren aber auch an dem Umstand, selbst „dauernd kritischer Beobachtung ausgeliefert“ zu sein und zugleich „dauernd kritisch beobachtend“ ihr Umfeld in den Blick zu nehmen (Zwei Erzieher, 1966; TBW 14, 12). Im Anfang der 1980er Jahre verfassten, aber erst 1986 publizierten Opus magnum Auslöschung. Ein Zerfall lĂ€sst Bernhard mit Franz-Josef Murau einen literaturaffinen Privat- gelehrten auftreten, der seinem einzigen SchĂŒler Gambetti auf langen Spazier- gĂ€ngen durch Rom die deutschsprachige Literatur und Philosophie nĂ€herbringt: Gleich zu Beginn erinnert er sich daran, Gambetti „fĂŒnf BĂŒcher“ ans Herz gelegt zu haben, um diese „auf das aufmerksamste und mit der in seinem Fall gebotenen Langsamkeit zu studieren“: Neben Romanen von Jean Paul (SiebenkĂ€s), Franz Kafka (Der Prozeß) und Hermann Broch (Esch oder Die Anarchie) trĂ€gt er ihm Robert Musils Novelle Die Portugiesin zur LektĂŒre auf  – und „Amras von Thomas Bernhard“ (TBW 9, 7). Als fĂŒnftes Buch von Muraus Leseliste war im Typoskript der Auslöschung anfangs noch Adalbert Stifters Witiko angefĂŒhrt; erst kurz vor der Publikation tilgte Bernhard den Buchtitel mit schwarzem Filzstift 244 und ersetzte ihn durch seine eigene, 1964 erschienene ErzĂ€hlung Amras, die er bei mehreren Gelegenheiten als sein literarisch gelungenstes Werk bezeichnet hat.245 242 Hofmann: Aus GesprĂ€chen mit Thomas Bernhard (Anm.  42), S.  49. 243 Vgl. dazu Clemens Götze: „Mit allen Anzeichen der Empörung“. Thomas Bernhard als Leser- briefschreiber. In: Text + Kritik (42016), H.  43, S.  52 – 65; Gschwandtner: Journalistisches, Reden, Interviews (Anm.  116), S.  275 – 277. 244 Vgl. das Faksimile der Typoskript-Seite in TBW 9, 549; vgl. zur Korrektur der Textstelle auch den Kommentar in TBW 9, 538 u.  544, sowie Markus Kreuzwieser: Epochendialoge. Noch einmal: Adalbert Stifter und die Gegenwartsliteratur unter besonderer BerĂŒcksichtigung der Stifter-LektĂŒre Thomas Bernhards. In: ide. Informationen zur Deutschdidaktik 29 (2005), H.  1, S.  82 – 95, hier S.  93. 245 Vgl. TBW 22.2, 121 f.: „Am liebsten war mir immer Amras.  [
] Da ist mir was gelungen, ohne das ganz genau zu erfassen, dieser Schwebezustand zwischen NaivitĂ€t, PubertĂ€t und doch ganz hohem Geistesniveau, dieses ganzen Zustands, nicht? Das ist wie eine Prosa-Seilbahn, wĂŒrde ich „Zeitungsg’schicht’ln“: Thomas Bernhard als Literaturkritiker338 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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