Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Seite - 339 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 339 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Bild der Seite - 339 -

Bild der Seite - 339 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Text der Seite - 339 -

Franz-Josef Murau publiziert, wie er betont, regelmĂ€ĂŸig „in den verschie- densten Zeitungen und Zeitschriften nicht nur in Frankfurt und Hamburg, auch in Mailand und Rom“, wobei sich der Gelehrte, so legen es die verstreuten Hinweise nahe, vor allem als Musikkritiker betĂ€tigt, hat er doch zuletzt einen „kurze[n] Aufsatz ĂŒber LeoĆĄ Janáček“ im Corriere della Sera veröffentlicht (TBW 9, 16 f.). SpĂ€ter erinnert er sich daran, einst in BrĂŒssel „etwas ĂŒber Pascal“ und â€žĂŒber Marias Gedichte“, d. h. ĂŒber die Lyrik Ingeborg Bachmanns, geschrieben zu haben (TBW 9, 404): „Auch ĂŒber den von mir so geliebten Bohuslav MartinĆŻ habe ich einen kleinen Aufsatz dort oben im vierten Stock geschrieben, den Auf- satz aber gleich wieder weggeworfen.“ (TBW 9, 404 f.) Den Gestus des abwĂ€genden Kritikers veranschaulicht Murau indes schon auf den ersten Seiten des Buches, wenn er im GesprĂ€ch mit Gambetti einen Satz aus Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung zunĂ€chst im Original und dann in italienischer Übersetzung rezitiert, um seinem SchĂŒler zu verdeutlichen, „wie schwer sich die Waagschale auf der mit meiner linken Hand vorgetĂ€usch- ten deutschen Waagschale senkte, wĂ€hrend sie sozusagen auf der italienischen mit meiner rechten Hand in die Höhe schnellte“ (TBW 9, 8 f.); die Praxis des AbwĂ€gens und kritischen PrĂŒfens im Wechsel der beiden Sprachen scheint fĂŒr ihn zuallererst ein „Spiel“ zu sein: Zu meinem und zu Gambettis VergnĂŒgen sagte ich mehrere Schopenhauersche SĂ€tze zuerst in Deutsch, dann in meiner eigenen italienischen Übersetzung und legte sie sozusagen fĂŒr alle Welt, aber vor allem fĂŒr Gambetti, deutlich sichtbar auf die Waag- schale meiner HĂ€nde und entwickelte daraus mit der Zeit ein von mir auf die Spitze getriebenes Spiel, das schließlich mit HegelsĂ€tzen und mit einem Kantaphorismus endete. Leider, sagte ich zu Gambetti, sind die schweren Wörter nicht immer die gewichtigsten, wie die schweren SĂ€tze nicht immer die gewichtigsten sind. Mein Spiel hatte mich bald erschöpft. (TBW 9, 9) Wie andere Figuren in Bernhards SpĂ€twerk ist Murau nicht darauf angewiesen, mit Zeilenhonoraren fĂŒr publizistische Arbeiten seinen Lebensunterhalt zu finan- zieren, weil er durch das Vermögen seiner Familie ökonomisch abgesichert ist. Als wohlhabender Privatgelehrter hat er, was die GegenstĂ€nde seiner BeschĂ€fti- gung angeht, freie Hand. Das unterscheidet ihn ganz wesentlich vom einstigen Kulturjournalisten Thomas Bernhard im Salzburg der 1950er Jahre, der meist zu den „eher zweitrangigen“ Veranstaltungen geschickt wurde 246  – und fĂŒr den die TĂ€tigkeit als Kritiker seinen tĂ€glichen Broterwerb bedeutete. sagen. Und dieses Seil sehe ich heute nicht mehr und sĂ€he es sehr gern. Amras ist also schlaf- wandlerisch richtig, glaube ich.“ 246 Klug: Thomas Bernhards Arbeiten (Anm.  28), S.  144. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen 339 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
zurĂŒck zum  Buch Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik"
Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Strategen im Literaturkampf