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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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bedenken gegeben, dass sich aus der ErwĂ€hnung des Kanzlers womöglich recht- liche Probleme ergeben könnten. Bernhard schwĂ€chte die inkriminierte Stelle in der Folge zwar geringfĂŒgig ab, verĂ€nderte die Passage aber bereits in der zweiten Auflage wieder auf eine schĂ€rfere Formulierung.90 Ein Jahr spĂ€ter lĂ€sst Bernhard den ErzĂ€hler von Der Untergeher darĂŒber rĂ€sonieren, „daß der Kanzler ein gemeiner, durchtriebener, gefinkelter Mann sei, der den Sozialismus nur als ein Vehikel fĂŒr seine perversen MachtgelĂŒste mißbraucht habe“ (TBW 6, 107): Kein Wort ist mir ekelhafter geworden, als das Wort Sozialismus, wenn ich denke, was aus diesem Begriff gemacht worden ist. Überall ist dieser hundsgemeine Sozialismus unserer hundsgemeinen Sozialisten, die den Sozialismus gegen das Volk ausnĂŒtzen, es mit der Zeit so gemein gemacht haben, wie sie selbst sind. Überall, wohin wir auch schauen heute, ist dieser tödliche Gemeinsozialismus zu sehen, zu fĂŒhlen, alles hat er durchdrungen. (TBW 6, 40 f.)91 Figuren“, als „naiv“ gelten muss und den ludischen Charakter des Zusammenspiels fiktionaler und faktualer Genres bei Bernhard verkennt. Am Beispiel der Kreisky-Polemiken ist zu zeigen, dass Textstrategien und Angriffsobjekte aus frĂŒheren autornahen Statements spĂ€ter in fiktio- nalen Prosatexten bewusst aufgegriffen werden  – ein Verfahren, das bei Bernhard auch in die entgegengesetzte Richtung zu beobachten ist; am offensichtlichsten und prominentesten dort, wo er in einem Leserbrief vom September 1985 explizit auf Aussagen des „Österreichagitator[s] und Moralist[en] Reger in meinem Buch Alte Meister“ rekurriert (TBW 22.1, 682). Vgl. dazu Götze: „Mit allen Anzeichen der Empörung“ (Anm.  55), S.  59 ff. 90 Zu den VerĂ€nderungen der Kreisky-Passage zwischen Typoskript, Erstausgabe und zweiter Auflage vgl. den Kommentar in TBW 5, 142 f. u.  147 (dort ein Faksimile der Typoskriptseite), sowie den Brief von Unseld an Bernhard, 16. 2. 1982. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  2), S.  655. 91 In diesem Kontext wiegt es besonders schwer, wenn der Bernhard (gerade seit dem HolzfĂ€llen- Skandal) nicht eben wohlgesinnte Literaturkritiker Hans Haider 1985 in der Wiener Presse konstatiert, Bernhard drĂ€nge sich auf, „als Leitfossil der vergangenen 15  Jahre sozialdemo- kratischen Literaturbetriebs untersucht zu werden“: „Zeigen sich bei ihm doch Formen gesell- schaftlichen Wesens Ă€hnlich wie im andersartig, im politisch organisierten Überbau. Das Ziel hieß Aufstieg zu Macht, doch einmal erworben, ist sie nicht mehr als Selbstzweck, Spiel gegen andere MĂ€chtige, Überleben im Sacro Egoismo. / Bernhard gleicht manchen, die in seiner Zeit die Sozialdemokratie in Verruf gebracht haben, aufs Haar. Das sozial stigmatisierte Kind will hinauf und zielt nach dem Aristokratischen.“ (Hans Haider: Die Stigmatisierten steigen auf. In Österreichs literarischer Szene gibt es mehr prominente als gelesene Autoren. In: Die Presse, 23. 8. 1985) Haider rĂŒckt Bernhard also in die NĂ€he jener „Nadelstreifensozialisten“ (TBW 22.1, 680), als die der Autor Politiker wie Bruno Kreisky und Franz Vranitzky denun- ziert hatte (vgl. auch TBW 22.1, 621). Zur Rolle Haiders im Skandal um HolzfĂ€llen vgl. Franz Schuh: All you need is love. Notizen und Exzerpte zur (Literatur-)Kritik. In: F. S.: Schreib- krĂ€fte. Über Literatur, GlĂŒck und UnglĂŒck. Köln: DuMont 2000, S.  24 – 114, hier S.  60 f. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 371 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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