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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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gearbeitet worden, das Alte war klĂ€gliches Zeug.“ 121 Die bestĂ€ndige Selbstkritik des Autors forderte ihn zu immer neuen Überarbeitungen heraus; diese haben, um eine Bemerkung von Ernst Osterkamp aufzugreifen, nicht unwesentlich zur „stilistischen Verkauztheit“ 122 des Witiko beigetragen. Und: Es waren gerade diese AnkĂŒndigungen von „Neuschrift“, „UmĂ€nderung“ und „Ausfeilung“,123 die die Verleger Stifters und Bernhards, Gustav Heckenast und Siegfried Unseld, im 19. wie im 20.  Jahrhundert gleichermaßen der Verzweiflung nahe brachten. Bernhard, dessen Protagonist Reger in Alte Meister (1985) zĂ€hneknirschend eingestehen muss, mit dem „Provinzdilettant[en]“ Stifter „verwandt“ zu sein (TBW 8, 47 u.  62),124 inszeniert im und um den zehn Jahre davor erschienenen Roman Korrektur eine Problematik, die einige ihrer Parameter mit den Schreib- und Überarbeitungsnöten Stifters teilt, verschiebt diese aber durch Zuspitzung und Radikalisierung noch stĂ€rker ins Existentielle, ins Existenzbedrohende. Im Gewand der Fiktion reflektiert Bernhard nicht nur den wechselvollen Entste- hungsprozess des Buchs selbst,125 sondern er stellt den Drang zum fortwĂ€hrenden Korrigieren ganz allgemein ins Zentrum der Romanhandlung. Der ErzĂ€hler der Korrektur schildert, gestĂŒtzt auf den Nachlass seines Freundes Roithamer, den Prozess der Bearbeitung eines Manuskripts als unabschließbare bzw. nur mit der vollstĂ€ndigen Durchstreichung des Werks, seiner Vernichtung, zu bewerkstelli- gende Destruktionsbewegung.126 Er fasst den Entschluss, durch die „sogenannte 121 Stifter an Heckenast, 4. 2. 1866. In: ebd., S.  148. 122 Ernst Osterkamp: Ist da ein Mensch? Was geschieht, wenn man dem eigenen Lieblingsbuch, dem Nachsommer, untreu wird und Adalbert Stifters Witiko liest. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. 8. 2017. 123 Stifter an Heckenast, 6. 10. 1865. In: Stifter: SĂ€mmtliche Werke. Bd.  21 (Anm.  116), S.  28. 124 Zur „unerhörte[n] NĂ€he und Verwandtschaft“ zwischen Bernhard und Stifter vgl. Arnold Stadler: Mein Stifter. PortrĂ€t eines Selbstmörders in spe und fĂŒnf Photographien. Köln: DuMont 2005, S.  164 u. passim; zu Bernhards Polemiken gegen Stifter außerdem Markus Kreuzwieser: Epochendialoge. Noch einmal: Adalbert Stifter und die Gegenwartsliteratur unter besonderer BerĂŒcksichtigung der Stifter-LektĂŒren Thomas Bernhards. In: ide. Informationen zur Deutsch- didaktik 29 (2005), H.  1, S.  82 – 95; Stefan Krammer: Bernhards unsanftes Gesetz. Ein Stifter- experiment. In: Thomas Bernhard Jahrbuch 2005/2006, S.  75 – 85. 125 Vgl. den Kommentar in TBW 4, 321: „[D]er Blick in die Verlagskorrespondenz zeigt, daß die im Roman thematisierten Fragen nicht beliebig gewĂ€hlt wurden, sondern in entscheidenden Punkten  – von den Schwierigkeiten mit dem Verfassen einer Schrift, insbesondere deren Beginn und Abschluß, bis zur richtigen Verwendung von Textfragmenten  – frappante Parallelen zur Entstehungsgeschichte aufweisen.“ Bernhard habe die Entstehung und Überarbeitung des Romans seinem Verleger gegenĂŒber „mit SĂ€tzen“ beschrieben, „die direkt aus dem Roman zu stammen scheinen“ (TBW 4, 335). 126 GĂ¶ĂŸling: Thomas Bernhards frĂŒhe Prosakunst (Anm.  113), S.  314, hat darauf hingewiesen, dass  – aller Korrektur-Rhetorik Bernhards zum Trotz  – der Roman neben „semantische[n] und syntaktische[n] IrregularitĂ€ten“ auch eine Reihe „inhaltlicher WidersprĂŒche“ aufweist; dies fĂŒhre, so GĂ¶ĂŸling, zur Frage, „inwieweit solch unkontrolliertes Zerbersten des FiktionsgefĂŒges Rezensionen, die keine sind: Kritik und Selbstkritik bei Thomas Bernhard380 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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