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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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letztwillige VerfĂŒgung“ dazu ermĂ€chtigt, den Nachlass Roithamers „zu sichten und zu ordnen“ und zudem „auch gleich ĂŒber diese BeschĂ€ftigung zu schreiben“ (TBW 4, 7); der Roman stellt gewissermaßen das Protokoll dieser Aufarbeitung dar. Wie nicht selten bei Bernhard sind es in Korrektur der Tod eines Menschen und die Notwendigkeit, sich mit dessen Hinterlassenschaft auseinanderzusetzen, die am Beginn der Handlung stehen; bereits in der ErzĂ€hlung Ungenach (1968) ist dies der Fall, in Watten. Ein Nachlaß (1969) auch im Untertitel angedeutet, und noch in Auslöschung. Ein Zerfall (1986) steht Franz-Josef Murau vor der Herausforde- rung, sich nach dem Unfalltod seiner Eltern und seines Bruders mit der materiel- len wie ideellen Hinterlassenschaft der Familie beschĂ€ftigen zu mĂŒssen  – erst die unumgĂ€ngliche Aufarbeitung der Vergangenheit setzt den ErzĂ€hltext in Gang.127 Zentraler Gegenstand der archivarischen Recherche in Korrektur ist Roithamers Studie Über Altensam und alles, was mit Altensam zusammenhĂ€ngt, mit besonde- rer BerĂŒcksichtigung des Kegels, deren UniversalitĂ€tsanspruch  – eben „alles“ zu erfassen, „was mit Altensam zusammenhĂ€ngt“  – bereits im Titel deutlich wird. Der Nachlassbefund, den der ErzĂ€hler in der Folge fragmentarisch erstellt, erhellt den zerrĂŒtteten Geisteszustand des Autors Roithamer; andererseits tritt dabei aber auch jener charakteristische Redaktionsprozess zutage, in dem ‚Vernichtung‘ und ‚Vollendung‘ auf hintersinnige Weise miteinander korrespondieren. Auf der Reise zum BegrĂ€bnis seiner Schwester, „auf der Überfahrt von Dover auf den Kontinent“ (TBW 4, 76), habe Roithamer begonnen, die umfangreiche Studie ĂŒber seinen Herkunftsort und das fĂŒr seine Schwester entworfene Kegel-Bauwerk erneut zu korrigieren: „Ich hatte das Manuskript aus der Reisetasche herausgenommen und sofort gesehen, es ist alles falsch in meinem Manuskript, daß ich nicht nur Teile falsch beschrieben habe, daß ich alles falsch beschrieben habe, denn es ist das Entgegengesetzte, so Roithamer.“ (TBW 4, 312 f.) Der Autor der Studie habe diese, wie der ErzĂ€hler zu erkennen glaubt, „durch die rĂŒcksichtsloseste und dadurch vollkommenste Korrektur“ allerdings nicht „vernichtet“, sondern zu einer gĂ€nzlich neuen Studie gemacht, denn die Zerstörung der Studie durch seine Hand, durch seinen scharfen, mit der Studie am rĂŒcksichtslosesten ver- fahrenden Verstand, war doch nur gleichbedeutend mit der Erschaffung einer völlig neuen Studie, er hatte solange die Studie korrigiert, bis nicht, wie er geglaubt hat, die Studie vernichtet gewesen, sondern eine neue Studie entstanden war. (TBW 4, 76) und schließlich auch semantischer und syntaktischer Strukturen den Ă€sthetischen Rang des offensichtlich, nach lĂ€ngerer konzentrierter Vorbereitung, in grĂ¶ĂŸter Hast produzierten  [
] Romans gefĂ€hrdet“. Dazu auch Bernhard Judex: Thomas Bernhard. Epoche  – Werk  – Wirkung. MĂŒnchen: C. H. Beck 2010, S.  76. 127 Hahn: Geschichte und Epigonen (Anm.  37), S.  436, spricht in diesem Zusammenhang vom all- gegenwĂ€rtigen „Alpdruck der Hinterlassenschaften“ in Bernhards ƒuvre. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft 381 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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