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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Werk. Der an die Zeitung geklammerte, in seinem Überleben von ihr abhĂ€ngige Schauspieler wirkt wie eine Parodie des bei Bernhard vielfach thematisierten und in Szene gesetzten VerhĂ€ltnisses. „Die Anerkennung, daß er öffentlich bemerkt wird, das war ihm sicher das Wichtigste“, erinnert sich Anfang der 1990er Jahre Franz Josef Altenburg an Bernhards SensibilitĂ€t fĂŒr die Wahrnehmung seines Schreibens und Auftretens in der Öffentlichkeit.172 In diesem Sinne hat der auf seine UnabhĂ€ngigkeit von kritischen Instanzen pochende Autor in Meine Preise schließlich selbst ein- gestanden, „zur totalen Selbstbeurteilung  [
] nicht fĂ€hig“ zu sein (TBW 22.2, 410); der „absolut selbstkritische[  ] Zustand als Geisteszustand“, von dem in Wittgensteins Neffe die Rede ist (TBW 13, 265), ist vor diesem Hintergrund mehr ein Wunschbild starker, autonomer Autorschaft denn eine adĂ€quate Beschrei- bung einer konkreten schriftstellerischen Praxis. Katrin Kohl hat in einer hell- sichtigen Studie gezeigt, dass die prĂ€tendierte Absage an das Publi kum und dessen BewertungsmaßstĂ€be fĂŒr das Autorschaftsmodell vieler Schriftstellerin- nen und Schriftsteller eine eminente Herausforderung darstelle: „Wenn nicht die Orientierung am Publikum, sondern ausschließlich die ‚inneren‘ Gesetze des Dichtens und des Kunstwerks als treibende Kraft fungieren sollen, so stehen die Strategien und Wirkmechanismen des Ruhms in Spannung zum Anspruch und zur Bestimmung des Dichters“, weil das Schielen auf „öffentliche[  ] Anerken- nung“ bis zu einem gewissen Grad in Widerspruch zur Ablehnung jeglicher „Selbstvermarktung“ steht.173 In Bernhards poetologischen Kommentaren gerĂ€t die Vorstellung, es genĂŒge im Grunde, „von einem Buch nur 1 Exemplar gedruckt“ zu sehen,174 mit der Idee des universellen ‚Ausstrahlens‘ in Konflikt: „Wenn Sie glauben, Sie schreiben ein Buch, Sie schreiben’s nur fĂŒr sich, und das liest die Omi und der Opa und irgendein blöder Germanist, na, das wĂ€re zu wenig. Ausstrahlen, und zwar nicht nur weltweit, sondern universell.“ (TBW 22.2, 320) Das Konzept der ‚Selbstkritik‘ oder der ‚Selbstrezension‘, das nicht zuletzt das arbeitsteilige System des Literaturbetriebs infrage und stattdessen den Autor selbst als Instanz der Beurteilung in den Mittelpunkt stellt, bildet 172 Krista Fleischmann: Franz Josef und Christa Altenburg. In: K. F.: Thomas Bernhard  – Eine Erinnerung (Anm.  155), S.  111 – 122, hier S.  118. 173 Katrin Kohl: Poetologische Metaphern. Formen und Funktionen in der deutschen Literatur. Berlin, New York: de Gruyter 2007, S.  513. Vgl. Huntemann: Artistik und Rollenspiel (Anm.  37), S.  27, der mit Blick auf Bernhards Figuren Folgendes festgehalten hat, was bis zu einem gewis- sen Grad auch auf den Autor selbst bezogen werden kann: „Sie verachten zwar die Gesellschaft und ziehen sich in die Isolation zurĂŒck, sind aber zugleich auf sie als Publikum angewiesen, insofern sie sich mit ihrer Kunst mitteilen wollen.“  – Zum Problem der ErfĂŒllung von Publi- kumserwartungen fĂŒr „Verfechter eines autonomen Hierarchisierungsprinzips“ vgl. Bourdieu: Das literarische Feld (Anm.  43), S.  348. 174 Becker: Bei Bernhard (Anm.  7), S.  84. Rezensionen, die keine sind: Kritik und Selbstkritik bei Thomas Bernhard394 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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