Seite - 87 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
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2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum
Ferdinand Opll
Im Hinblick auf die Erfassung und Darstellung des geografischen Raumes ergänzen
einander die beiden in den fünf Atlanten enthaltenen Darstellungsarten – zum einen
Übersichtskarten zu größeren oder auch kleineren Gebieten, zum anderen Detailauf-
nahmen einzelner Städte und Festungen in Form von Grundrissplänen und Ansich-
ten – aufs Beste. Beide topografische Ansätze, die Makro- wie die Mikroebene, stel-
len den Raum von Zentral- und Mitteleuropa in den Mittelpunkt (Abb. 10), der im
Gefolge der Auseinandersetzungen zwischen dem Hause Habsburg und der Hohen
Pforte von den 1520er Jahren an einen der maßgeblichen und zentralen Kriegsschau-
plätze des gesamten Kontinents bildete. Das in älterer Literatur gerne mit dem Begriff
des Kriegswesens bezeichnete politische Handlungsfeld hatte seit den grundlegenden
Veränderungen infolge des Aufkommens der Feuerwaffen – von Geschossen und Ar-
tillerie ebenso wie von Handfeuerwaffen – eine tiefgehende Umgestaltung erfahren.
Diese Veränderungsprozesse sollten auch auf das Feld traditioneller Defensivmaßnah-
men im Kontext von Festungs- und Wehrbauten ungeheure Auswirkungen zeitigen
und sowohl Theorie wie Praxis des Festungsbaus maßgeblich prägen und bestimmen.1
Bereits drei Jahre nach der Niederlage des Jagiellonenherrschers Ludwig II. gegen
die Osmanen bei Mohács standen diese 1529 vor Wien, dem traditionellen Herr-
schaftssitz des Hauses Habsburg in Österreich. Bei den osmanischen Truppen waren
schon bei der Eroberung von Konstantinopel im Jahre 1453 Geschosswaffen zum Ein-
satz gekommen. Nun sah sich die von ihren veralteten mittelalterlichen Befestigungen
nur unzulänglich geschützte Stadt Wien erstmals einem vergleichbaren Angriff aus-
gesetzt.2 Die glückhafte Überwindung der Gefahr setzte dann ab 1530 in Wien den
Ausbau der Stadtbefestigungen nach dem bastionären System in Gang. Was damit be-
gann, war zugleich eine Ära, in der insbesondere italienischen Festungsbauspezialisten
eine zunehmend wichtigere Rolle im Baugeschehen zukommen sollte.3
Das Königreich Ungarn, das 1527 im Erbwege an die Habsburger gefallen war,
konnte freilich zu weiten Teilen – und das galt insbesondere für seine östlichen und
südlichen Bereiche – gegen die osmanische Macht praktisch nicht gehalten werden.4
1 Zum frühneuzeitlichen Festungsbau in Theorie und Praxis siehe unten S. 127–145.
2 Deutlich anders hatte sich vier Jahrzehnte zuvor die Eingliederung Wiens und Österreichs in die Herr-
schaft des Ungarnkönigs Matthias Corvinus gestaltet, vgl. dazu Opll, Wienna caput Austrie, 1–10.
3 Siehe dazu die Ausführungen hier im Buch, S. 147–196.
4 Die vorliegende Literatur zur Geschichte Ungarns sowie Österreichs im 16. Jh., insbesondere zu den
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499