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Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien | 239
reich des Ochsengrieses. Der Dresdner Plan weist zwischen der steinernen Brücke und
der Abzweigung des Mühlbachs eine Uferbefestigung aus, beide Pläne auch auf Höhe
der Mühle bei dem Slifstein.
Von den Parzellen in der Scheffstraße führt in beiden Plänen ein hölzerner Steg
über die Wien in Richtung Gänseweide. Dabei handelt es sich um jenes Gebiet, das im
Rückstaubereich der Wien und am Wiener Donauarm lag und ab der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts mit den Umsiedlungen der Gewerbe aus den die Stadt gefährdenden
Vorstädten entstand und »Weißgerber« genannt wurde.58 Die auf beiden Plänen er-
kennbare Gewerbesiedlung befindet sich ganz unten links östlich der Wien. Südlich
davon, durch eine beidseits mit Holzplanken gesäumte Straße begrenzt, setzen die
Gärten der Vorstadt Landstraße ein. Die Vorstadt selbst beginnt direkt anschließend
an die steinerne Brücke über die Wien, die vom Stubentor in Richtung Osten führt.
Die wiedergegebenen Gebäude erscheinen als giebelständige, langgestreckte Bauten
in schematischer Darstellung. Der Eingang war im Erdgeschoß, wo sich typischer-
weise auch die Lagerräume befanden, weswegen das Erdgeschoß zumeist fensterlos
erscheint. Das Obergeschoß beherbergte die Wohnräume. Folglich sind dort auch
Fenster auf den Plänen zu sehen. Weiter südlich, am linken Blattrand, etwa auf der
Höhe der Unteren Paradeisbastei ist ein allein stehender zweistöckiger Bau mit um-
laufendem Balkon zu erkennen. Es könnte mit dem Bautypus ein herrschaftliches
Haus angedeutet sein.
6.2.4 Der Plan zur Umsiedlung der Vorstädte auf die »Insel« und die Rolle der Donau
Alle drei »Angielini«-Pläne von Wien zeigen den unmittelbar an die Stadt reichenden
Arm der Donau mit einer kleineren und einer größeren Insel zwischen Oberem und
Unterem Werd. Die Lage und Ausdehnung der Inseln ist jeweils leicht unterschiedlich.
Das Wiener Exemplar zeigt die kleine Insel in Fließrichtung unterhalb der großen, das
Karlsruher und Dresdner Exemplar gibt sie mehr oder weniger nebeneinander liegend
wieder. Auf der stadtnäheren Insel stand bis 1561 das Arsenal, bevor es in die Stadt-
befestigung integriert wurde.59 Die Absiedlung scheint allerdings neben sicherheits-
technischen auch noch einen weiteren Grund gehabt zu haben : Die spätestens seit den
1540er Jahren stetig zunehmenden Hochwasser und Eisstöße setzten der Insel stark
zu.60 Letztlich scheint die Insel wohl infolge eines Hochwassers zweigeteilt worden
58 Die Umsiedlungsaktivitäten der 1550er Jahre sind fassbar in KA HKR 1558 Mai Nr. 412 Registratur.
59 Siehe dazu hier im Buch, S. 181–184. Die Situation ist gut zu sehen im Wolmuet-Plan sowie in der
Ansicht von Norden von Augustin Hirschvogel (unten Anhang 9.7, S. 484 Nrr. 6 und 4).
60 FHKA NÖK Protokollbuch 35 (R 1557), fol. 1r : Im Jänner 1557 werden Arbeiten zur Abwehr von
Eisstoßschäden in Auftrag gegeben. FHKA NÖHA W 61/C/3/B, fol. 625r : Nach der Absiedlung des
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499