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Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis | 133
Interesses, die nach außen aus der Stadtmauer hervorragten.36 Schon lange, bevor dieses
antike Werk im Druck erschien, setzte die theoretische Auseinandersetzung mit ihm
ein, und dabei ist insbesondere auf Leon Battista Albertis (1404–1472) »De re aedifica-
toria«, entstanden zwischen 1443 und 1452 und 1485 erstmals gedruckt, zu verweisen.37
4.3 Zur Entwicklung der Festungstraktate
Diese stark theoretisch geprägte Auseinandersetzung mit Fragen der Architektur, da-
runter in Sonderheit solchen der Wehrarchitektur, sollte in der Renaissance gewis-
sermaßen den Boden für das Entstehen einer regelrechten Spezialliteratur bereiten.
Dabei ist im Hinblick auf die Rezeption der ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun-
derts einsetzenden Traktatliteratur38 selbstverständlich zwischen ungedruckten und
gedruckten Arbeiten zu unterscheiden. In Rechnung zu stellen ist dabei, dass es gar
nicht immer im Interesse der Militärarchitekten gelegen war, ihr Wissen im Druck
preiszugeben.39 Dennoch ist davor zu warnen, nur im Hinblick auf im Druck veröf-
fentlichte Beiträge von einer tatsächlichen Rezeption zu sprechen. Spezialisten und
Interessierte am Festungsbauwesen wussten sich in jedem Fall Zugang zu einschlägi-
gen Manuskripten zu verschaffen. Es gab darunter freilich auch Werke, die ganz offen-
sichtlich weniger Grundlagen für in die Realität umzusetzende Bauprojekte schaffen
wollten als vielmehr eben (rein) theoretische Überlegungen und Projekte für gleichsam
»ideale« Anlagen enthielten und sich dabei Gesamtplanungen für Städte verschrieben.
Markantestes Beispiel dafür ist wohl der Architekturtraktat des Antonio de Averlino
(um 1400–1469), genannt Filarete, aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Insbesondere
seine Idealplanung für eine nach dem Zentralschema angelegte Stadt namens »Sfor-
zinda« ragt dabei heraus, ohne dass Filaretes Überlegungen wirklich eine Breitenwir-
kung zugekommen wäre.40 Ebenfalls schon in die Mitte des 15. Jahrhunderts gehört
der eher ins Militärtheoretische weisende Traktat »De rebus militaribus« des Sienesen
36 Vgl. Schweizer, Repräsentation und Funktion, 39–41.
37 Zu Alberti und seinem Werk vgl. die Hinweise bei Hale, Development of the bastion, 477, Hilliges,
Stadt- und Festungstor, 60, Schweizer, Repräsentation und Funktion, 37 f. und 70, sowie zuletzt Fi-
scher, Leon Battista Alberti.
38 Die maßgeblichen Autoren von Festungstraktaten vom 15. bis zum späten 16. Jh. sind unten im Anhang
9.6, S. 479–483, tabellarisch erfasst.
39 Vgl. dazu Burger, Dürers »Unterricht zur Befestigung«, 287 ; zu Aspekten der Geheimhaltung vgl. auch
die Hinweise bei Bürger, Architectura Militaris, 208 f.
40 Bemerkenswert ist allerdings, dass sich der ungarische König Matthias Corvinus Filaretes Werk ins
Lateinische übersetzen ließ, um es selbst studieren zu können, vgl. dazu Balogh, Italienische Pläne, 52 ;
zu Filarete vgl. auch Frommel, Architektur der Renaissance, 93 f.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499