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Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis | 141
nach Albrecht Dürer unzweifelhaft bedeutendsten deutschen Beiträge zu dieser Litera-
turgattung. In Specklins 1589 in Straßburg publiziertem Traktat85 hat er nicht nur das
Dürersche Opus, sondern auch eine Übersetzung des damals noch unpublizierten, zwi-
schen 1545 und 1565 entstandenen Traktats des aus Bologna stammenden, in Diensten
unterschiedlicher Herren (der Medici, des Papstes u. a.), und auch außerhalb Italiens
(Flandern) tätigen Hauptmanns Francesco de Marchi (1504–1576) eingefügt.86 Zu-
recht hat man betont, dass Specklin dennoch keinesfalls als »Nachfolger« de’ Marchis
anzusehen ist, und hat seine zentrale Rolle für die Entwicklung der Fortifikationslitera-
tur und -technik nördlich der Alpen während des 17. Jahrhunderts hervorgestrichen.87
Aus dem italienischen Raum ist für das späte 16. bzw. das frühe 17. Jahrhundert vor
allem auf das Werk des Mailänders Gabrio (auch : Gabriello) Busca (ca. 1540–1605)
hinzuweisen, der als Geschützgießer in Mailänder Diensten begann und zu einem der
bedeutendsten Festungsbauspezialisten werden sollte. Im Dienste des Herzogs von
Savoyen veröffentlichte er 1585 in Turin einen schon zu Ende der 1570er Jahre ent-
standenen »Trattato della espugnatione et difesa delle fortezze«. 1599 wurde er in Mai-
land zum architetto regio e ducale dello Stato ernannt, wo 1601 sein wohl bedeutendstes
Werk unter dem Titel »Della Architettura militare« im Druck vorgelegt wurde.88
4.4 Zur Bedeutung von Festungstraktaten für das Schaffen der Angielinis
Die für ein Verständnis des Angielinischen Schaffens unverzichtbare Skizze der Ent-
wicklung der Festungsarchitektur am Ende des Mittelalters und in der Frühen Neuzeit
mit ihrem so auffälligen Spezifikum des Bastionärsystems ist an dieser Stelle abzubre-
chen, können doch die hier im Ausblick angeführten Werke eines Daniel Specklin und
eines Gabrio Busca schon aus zeitlichen Gründen für das Schaffen der Familie An-
gielini nicht mehr von Relevanz sein. Was aber in jedem Fall deutlich geworden ist, ist
die ungeheure Fülle einschlägiger Traktate und Lehrbücher, die zu Lebzeiten der An-
85 Eine online-Ausgabe des Traktats ist unter : http://www.e-rara.ch/zut/content/titleinfo/2160661 (16.11.
2014) einzusehen.
86 Fischer, Specklin, 120 f., Hilliges, Stadt- und Festungstor, 14, und Schweizer, Repräsentation und
Funktion, 78. – Zu Leben und Werk de Marchis vgl. Lamberini, De Marchi, sowie die Hinweise bei
Büchi, Fortifikationsliteratur, 57‒59.
87 Büchi, Fortifikationsliteratur, 73 f. – Vgl. auch den Grundtenor des Werks von Bürger, Architectura
Militaris, das Handbuchcharakter hat.
88 Zu Busca vgl. De Caro, Busca ; des Weiteren vgl. die Hinweise bei Maggiorotti, Breve Dizioniario,
12, Hilliges, Stadt- und Festungstor, 15, und Schweizer, Repräsentation und Funktion, 86–91.
– Der
Festungstraktat von 1601 ist online verfügbar unter : http://193.206.220.110/Teca/Viewer ?an=966687
(16.11.2014).
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499