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vecser aus 1563 war solch ein früher Versuch.4 Sehr eindrucksvoll ist auch die von
Giovanni Jacobo Gasparini wahrscheinlich zu Beginn des Jahres 1594 für den Wiener
Hofkriegsrat gezeichnete Karte.5 Sie zeigt das Grenzburgensystem des ungarischen
Raums nördlich und nordöstlich der Drau. Das Besondere an dieser Karte ist, dass sie
geostet ist, denn sie zeigt exakt den Blick des Hofkriegsrates von der kaiserlichen Resi-
denzstadt in Richtung Ungarn. Aber nicht nur die Habsburger versuchten, das Gebiet
kartografisch zu erfassen. Auch die Osmanen unternahmen ähnliche Bemühungen.6
Jede Seite versuchte die Kenntnisse des Gegners über das Gebiet auszuspionieren. So
hat sich im Österreichischen Staatsarchiv eine vom österreichischen Botschafter in Is-
tanbul (1578‒81), Joachim von Sinzendorf, übermittelte Karte erhalten. Dieses ist die
Kopie eines die habsburgischen Grenzfestungen abbildenden, von Üveys Pascha (Bey-
lerbeyi von Buda 1578‒80) angefertigten Spionageprodukts. Der habsburgischen Ge-
genspionage, ausgeübt von Botschafter Sinzendorf, gelang es, diese Kopie zu erstellen
und nach Wien zu schicken.7 Die eminente Bedeutung der Kenntnis von Raum wird
dadurch überdeutlich. Gefragt waren Informationen zur Geografie und den natürli-
chen Gegebenheiten, aber auch zu Artefakten wie Flussübergängen, Brücken, Städten,
Straßen und insbesondere Festungen.
Naturräumlich wurde der Kriegsschauplatz im Osten von der Donau und ihren
Zuflüssen geprägt. Deren Kenntnis – die der Schiffbarkeit wie auch die von Urfahren,
Übergängen und Brücken
– war überaus wichtig. Ihre Beherrschung war zentral. Aber
nicht nur das Wissen um den Verlauf der Hauptflüsse war von Bedeutung. Gerade im
ungarischen Tiefland war der Einsatz von Truppen in sumpfigem Gebiet und Marsch-
land entscheidend. Deswegen war beispielsweise die Festung Kanischa (Nagykanizsa),
die in ebensolchem Terrain gelegen war, mit Infanteristen besetzt, während andere
große Festungen meist mit Kavallerie bestückt waren.8
6.1.1 Die sogenannte »Schüttinselkarte«
Das Wiener Atlaswerk enthält nun einen ersten kartografischen Höhepunkt im Be-
mühen um die Darstellung des Raums und insbesondere seiner naturräumlichen Ele-
mente.9 Die »Schüttinselkarte« gibt das Gebiet von Wien im Westen bis Komorn
4 Pálffy, In Verteidigung Europas, 36‒38, sowie hier im Buch Kapitel »Kartografie«, S. 106 f.
5 Pálffy, In Verteidigung Europas, 77‒88 ; hier im Buch, S. 110 f.
6 Ágoston, Environmental and Frontier Studies, 63 f.; siehe dazu auch hier im Buch das Kapitel »Raum«,
S. 107–110.
7 Ágoston, ebd., 46‒49.
8 Ágoston, ebd., 71.
9 Ralph Andraschek-Holzer und Martin Schmid haben jüngst exemplarisch vorgeführt, wie topografische
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499