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6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne
von Wien
6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt
Christoph Sonnlechner
Um die Darstellungen Wiens in den Atlanten von Wien, Karlsruhe und Dresden in-
terpretieren und bewerten zu können, ist eine Kontextualisierung unumgänglich. Ins-
besondere der politische Kontext des Anfalls von Ungarn ist zu berücksichtigen. Ihm
folgte die Einrichtung einer Militärgrenze, welche eine Pufferzone gegen die Osma-
nen bildete. Burgen und neu einzurichtende Festungen sollten den Feind einige Tage
oder Wochen aufhalten sowie Raubzüge kleinerer feindlicher Einheiten unterbinden.
1576 umfasste das Verteidigungssystem 123 Grenzfestungen und Wachthäuser. Es war
geografisch in die Tiefe gestaffelt und hierarchisch gegliedert. Wenig überraschend
folgte die Befestigungslinie den transdanubischen und nordungarischen Bergen und
Hügelketten. Das war die einzig mögliche natürliche Verteidigungslinie, welche sich
von der Geografie her anbot, nachdem die alte Linie, welche sich an den Flüssen Do-
nau und Save orientiert hatte, zusammengebrochen war.1
Das Rückgrat des Festungsgürtels bildeten die Grenzoberhauptmannschaften
bzw. Grenzgeneralate und in diesen bedeutende Festungen, darunter etwa Komorn
(Komárno) und Szatmár (Satu Mare) mit 1.000 bis 1.500 Mann Besatzung.2 Jeder
Hauptfestung unterstanden mehrere mittlere Festungen mit rund 500 Mann Besat-
zung sowie eine Reihe kleinerer Burgen mit etwa 200 Grenzsoldaten sowie Wacht-
häuser (Blockhäuser) mit nicht mehr als etwa einem Dutzend Soldaten.3
Bis zum einigermaßen systematischen Auf- und Ausbau dieser Grenzbefestigun-
gen dauerte es allerdings Jahrzehnte. Anfangs war man von Seiten der Habsburger
weitgehend überfordert, den neu zu beherrschenden Raum in den Griff zu bekommen.
Es bedurfte großer Anstrengungen, um das Gebiet auch kartografisch zu überblicken.
Die Karte oder besser Skizze der Raaberischen Grenze von Johann Csorón von De-
1 Ágoston, Environmental and Frontier Studies, 67. – Siehe dazu auch das Kapitel »Raum«, hier im
Buch, S. 87–100.
2 Pálffy, Anfänge, 10.
3 Winkelbauer, Ständefreiheit, 409‒422, 423‒448, und insbesondere 428‒437 sowie 438‒444. Zur Ent-
stehung der Ämter s. auch Pauser u. a. (Hgg.), Quellenkunde, 182 ff.: Hofkriegsrat, Proviantmeister,
Schiffmeister, Brückenmeister, Hofkammer.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499