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Eine eingehende Beschäftigung mit der Geschichte der ÖGL, von Kraus’ Bio-
graphie ganz zu schweigen, ist in der österreichischen Literaturwissenschaft bis-
her nicht vorgenommen worden, wodurch der Forschungsstand eine Nullsum-
me ergibt.27 Immerhin liegt mit der unpublizierten Arbeit von Martina Schmidt
eine aus dem Jahre 1995 stammende historische Darstellung der Geschichte der
ÖGL zwischen 1961 und 1970 vor, die trotz eines umfangreichen Materialien-
bandes, der Briefe und Dokumente vorlegt, leider vor allem durch tendenziöse
Werturteile hervorsticht.28 Diese Forschungsarbeit, die von der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften in Auftrag gegeben wurde, ist nicht veröffentlicht
und nur an entlegenen Stellen (in Kraus’ Nachlass sowie auf der Dokumentati-
onsstelle für neuere österreichische Literatur) vorhanden.
Zu Kraus selbst gibt es so gut wie keine Sekundärliteratur, eine Ausnahme ist
ein Aufsatz von Manfred Müller über die Einladungspolitik gegenüber Exil-Au-
torinnen und -autoren29 sowie kurze Abschnitte in diversen bundesdeutschen
bzw. österreichischen Literaturgeschichten. Zwar gibt es einen schmalen Sym-
posiumsband, in dem verschiedene Aspekte von Kraus’ Wirken und Schaffen
diskutiert werden, allerdings fand die Konferenz Ende Jänner 1999 in Budapest
statt und versammelte vor allem Freunde und Bekannte des erst wenige Mona-
te zuvor verstorbenen Kraus.30 Das wissenschaftliche Interesse an Kraus scheint
in denjenigen Ländern zu liegen, um deren Intellektuelle sowie Wissenschaftle-
rinnen und Wissenschaftler er sich angenommen hat. So gab der rumänische
Germanist Georg Guţu den knapp zwanzig Jahre umfassenden Briefwechsel
zwischen dem Philosophen Émile M. Cioran und Kraus heraus.31
Die Studie nimmt es sich zum Ziel, neben einer Darstellung der Ausdifferenzie-
rung des österreichischen Literaturbetriebs nach 1945 (vgl. Kapitel 2), einer Dar-
27 Das von Günther Stocker geleitete Projekt „Die Österreichische Gesellschaft für Literatur.
Selbstverständnis, Literaturförderung, Kulturpolitik“ hat den Archivbestand der ÖGL der Jah-
re von 1961 bis 1975 mittels einer Datenbank online aufbereitet. Vgl. https://www.univie.ac.
at/ogl-projekt-db/ [zuletzt aufgerufen am 15.1.2020].
28 Vgl. Martina Schmidt: Die Geschichte der Österreichischen Gesellschaft für Literatur. Wien:
ÖAW 1994. Kraus selbst hatte die Arbeit gelesen und erhob gegen einige Darstellungen hefti-
gen Einspruch. In einem Memorandum an den Germanisten Werner Welzig, der zu dieser Zeit
als Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften fungierte, schrieb er: „Die
hier genannten ersten Hinweise erschöpfen noch keineswegs die Kennzeichnung der mißgüns-
tigen, unobjektiven und böswilligen Haltung der Arbeit.“ Vgl. Memorandum für Herrn
Prof. Dr. Werner Welzig, NL WK.
29 Vgl. Manfred Müller: Wolfgang Kraus und die Exilliteratur zu Beginn der sechziger Jahre. In:
Evelyn Adunka, Peter Roessler (Hg.): Die Rezeption des Exils. Geschichte und Perspektiven
der österreichischen Exilforschung. Wien: Mandelbaum 2006, S. 87–100.
30 Vgl. Bassola, Kiss: Vorwort. In: Dies. (Hg.): Literatur als Brücke zwischen Ost und West, S. 7–8.
31 Vgl. Georg Guţu: Cioran. Scrisori către Wolfgang Kraus. Bucuresţi: Humanitas 2009.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 17
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437