Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Seite - 23 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 23 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945

Bild der Seite - 23 -

Bild der Seite - 23 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945

Text der Seite - 23 -

Seine selbst oftmals apostrophierte Parteilosigkeit machte er etwa gegenüber Manès Sperber stark; er sah sich selbst gern, darin dürfte er sich aber bis zu einem gewissen Grad getäuscht haben, als unabhängig von staatlichen Institu- tionen: „Ich hatte in Sachen Literatur eine Audienz bei [Bruno] Kreisky, mit dem ich nach kurzem Mißtrauen seinerseits ganz gut zurechtkam. Er scheint aber ungemein misstrauisch, igelhart defensiv und empfindlich zu sein. Ich bin weder CVer [gemeint ist der Österreichische Cartellverband; Anm. d. Verf.] noch Mit- glied in der ÖVP, sondern habe einfach Kontakte mit der Regierung gehabt, die immerhin die ‚Gesellschaft‘ ermöglichte. [...] Nun habe ich nie Kontakte mit Politikern gesucht, sondern um jene mit für mich zuständigen Regierungsmit- gliedern gepflegt [sic].“52 Mit dem Bonmot über Kaiser Franz Josef, der einen Fragebogen zur „Steu- erfassion“ ausfüllen musste und „Selbständiger Beamter“ in der Rubrik „Beruf“ eintrug, scheint Haider auch die Profession und Repräsentationsfunktion von Kraus adäquat zu beschreiben; eventuell ist er auch als staatlich-privater Akteur zu bezeichnen. Kraus hatte stets Scheu vor den politischen Institutionen, wie dies in einer Tagebuchnotiz zum Ausdruck kommt: „Seit dem deutschen Militär und den Nazis habe ich einen heftigen Widerstand gegen große Apparate – die doch heute wichtiger sind denn je und immer wichtiger werden.“53 So war Kraus nicht generell ein Mann des Ausschlusses bestimmter politi- scher und ästhetischer Richtungen, sondern eine Persönlichkeit, die sich selbst als Träger des Ausgleichs in kulturellen Belangen sah, da er die restriktive nati- onalsozialistische Kulturpolitik als Zeitzeuge miterlebt hatte. Obwohl er nicht immer mit den progressiveren literarischen Verfahren jüngerer Autorinnen und Autoren d‘accord war oder mit deren politischer Ausrichtung übereinstimmte, hat er sie zumindest rezipiert und in den für ihn entscheidenden Punkten kri- tisiert. Dennoch ist seine politische Einstellung gekennzeichnet durch dezidierten Antikommunismus, der ihn dennoch für ein, um einen Titel des von Kraus bewunderten Friedrich Heer zu zitieren, „Gespräch der Feinde“ eintreten ließ. In mancher Hinsicht war er seinen Zeitgenossen voraus, wie z. B. in der Annä- herung an Schriftstellerinnen und Schriftsteller des Ostens und der Aufholung der Versäumnisse österreichischer Kulturpolitik(en), wie in der Einladung von Exilautorinnen und -autoren, dennoch blieb etwa die Anerkennung progressi- ver literarischer Strömungen ein blinder Fleck in seiner literarischen Wahrneh- mung, was sich auch aus der gesellschaftlichen Bedeutung, die er der Literatur beimaß, ableitete (vgl. Kapitel 4.1). 52 Wolfgang Kraus an Manès Sperber, 26.  Juni 1971, NL WK. 53 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 30.  Juli 1975, NL WK. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0 Biographische Einführung 23
zurück zum  Buch Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945"
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Titel
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Autor
Stefan Maurer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23312-1
Abmessungen
15.8 x 24.0 cm
Seiten
452
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
    1. 1.1 Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 9
    2. 1.2 Biographische Einführung 22
  2. 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
    1. 2.1 Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 48
      1. 2.1.1 Politische Rahmenbedingungen: Österreich nach 1945 49
      2. 2.1.2 Institutionen, Kulturveranstaltungen und Vereine 54
      3. 2.1.3 Zeitschriften und Rundfunk 61
      4. 2.1.4 Literaturpreise und staatliche Förderung 70
      5. 2.1.5 Private Initiativen 71
      6. 2.1.6 Verlagssituation und Buchhandel 74
    2. 2.2 Resümee 78
  3. 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
    1. 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
      1. 3.1.1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖGL 87
      2. 3.1.2 Staatliche Subvention 92
      3. 3.1.3 Stellungnahmen zur ÖGL 94
      4. 3.1.4 Aufgaben und Zielsetzungen der ÖGL 96
    2. 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
    3. 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
    4. 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
    5. 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
    6. 3.6 Forum der Jugend 180
    7. 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
    8. 3.8 Resümee 190
  4. 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
    1. 4.1 Kraus als Literaturvermittler 196
      1. 4.1.1 Modernität und Kontinuität 199
      2. 4.1.2 Diskontinuitäten: 1934–1938–1945 210
      3. 4.1.3 Literatur und Katholizismus 216
      4. 4.1.4 Avantgarde und Provinzialismus 223
    2. 4.2 Der Literaturkritiker Kraus 226
    3. 4.3 Der Literatur-Organisator Kraus 245
      1. 4.3.1 Im Europa-Verlag 245
      2. 4.3.2 „Die Rampe“ 254
      3. 4.3.3 Literatur-Preise 259
    4. 4.4 Polemiken und Kämpfe im Feld 280
    5. 4.5 Resümee 294
  5. 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
    1. 5.1 Elemente einer Kraus’schen Kulturpolitik 302
    2. 5.2 Jenseits der Parteipolitik? 307
    3. 5.3 Die Kulturkontaktstelle 323
    4. 5.4 „Europalia 1988“ 338
  6. 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
    1. 6.1 Der kulturelle Kalte Krieg in Europa 355
    2. 6.2 Die Round-Table-Gespräche der ÖGL 367
    3. 6.3 Die ÖGL und der „Marshall Plan for the Mind“ 375
    4. 6.4 Die intellektuellen Dissidenten aus dem Osten 385
  7. 7. RESÜMEE 399
  8. 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
    1. 8.1 Ungedruckte Quellen 403
      1. 8.1.1 Nachlässe 403
      2. 8.1.2 Sammlungen 403
    2. 8.2 Gedruckte Quellen 404
      1. 8.2.1 Zeitungen und Zeitschriften (in Auswahl) 404
      2. 8.2.2 Primärliteratur 404
      3. 8.2.3 Sekundärliteratur 409
  9. 9. PERSONENREGISTER 437
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945