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me, die im Nationalrat Ende März 1950 beschlossen worden war, betraf das
„Bundesgesetz über Bekämpfung unzüchtiger Veröffentlichungen und den Schutz
der Jugend gegen sittliche Gefährdung“, das sogenannte „Schmutz- und Schund-
gesetz“, im Zuge dessen auch realistische AutorInnen, moderne literarische Wer-
ke und so mancher Klassiker indiziert wurden.34
In der Kunst und Literatur löste ein konservatives Paradigma mit „Habsburg-
nostalgie“, „Österreich-Glorifizierung“ und einem antitotalitären Konsens, der
sich als Antikommunismus äußerte, die kurze Aufbruchs- und Nachholphase
ab, die zwischen 1945 und 1948 stattgefunden hatte.
Der ab 1947 einsetzende Kalte Krieg zwischen den Supermächten USA und
UdSSR bestimmte auch die (kultur-)politischen Fronten in Österreich,35 „wo es
galt, die Kommunisten mit allen Mitteln einzudämmen“,36 was auch Folgen für
Autorinnen und Autoren mit der „falschen“ Ideologie nach sich zog. So wurde
z. B. die kommunistische Journalistin und Schriftstellerin Eva Priester, die für
eine neue, gegenwartsbezogene und politische Literatur plädierte, auf die „Schwar-
ze Liste“ gesetzt und von Unterrichtsminister Felix Hurdes aus der Textvor-
schlagsliste jener Lyrikerinnen und Lyriker gestrichen, die die neue österreichi-
sche Nationalhymne dichten sollten, und durch die schwer NS-belastete Paula
Grogger, bereits vor 1938 Mitglied des „Bundes der deutschen Schriftsteller
Österreichs“, einer Vorfeldorganisation der Reichsschrifttumskammer, ersetzt.37
Generell wurden kommunistische österreichische Schriftstellerinnen und
Schriftsteller, darunter Hugo Huppert, Franz Kain, Susanne Wantoch oder Karl
Wiesinger, in ihrem eigenen Land nicht wahrgenommen und veröffentlichten
ihre Werke, wenn dies überhaupt möglich war, in parteieigenen Verlagen wie
Globus, oder in der DDR. Auf diesen Sachverhalt weist Ernst Fischer in einem
Brief an den SED-Kulturfunktionär Alfred Kurella hin, der die Schwierigkeiten
„eines nicht in der DDR lebenden kommunistischen Schriftstellers, der für das
deutsche Sprachgebiet schreibt“,38 betont und beklagt, dass der Schriftsteller
ohne Leserin bzw. Leser zum literarischen Emigranten wird.
34 So griff z. B. der Schriftsteller Viktor Reimann, der dem „Verband der Unabhängigen“ ange-
hörte, der FPÖ-Vorgängerpartei, in der politisch rechtsgerichteten Zeitschrift „Die neue Front“
vom 26.
April 1952 die von Weigel herausgegebene Anthologie „Stimmen der Gegenwart“ an.
Der Anthologie drohte ein Verbot nach dem Gesetz zum Schutze der Jugend vor „Schmutz
und Schund“. Vgl. dazu Kerschbaumer: Der kalte Krieg gegen die Moderne, S. 124 f.
35 Vgl. dazu auch Michael Hansel, Michael Rohrwasser (Hg.): Kalter Krieg in Österreich. Litera-
tur, Kunst, Kultur. Wien: Zsolnay 2010 (= Profile 17).
36 Günther Bischof: Spielball der Mächtigen? Österreichs außenpolitischer Spielraum im Kalten
Krieg. In: Kos (Hg.): Inventur 45/55, S. 126–156, hier S. 142.
37 Vgl. Rathkolb: Die paradoxe Republik, S. 233.
38 Ernst Fischer an Alfred Kurella, 22. November 1961. Zit. n. Thomas Kroll: Kommunistische
Intellektuelle in Westeuropa. Frankreich, Österreich, Italien und Großbritannien im Vergleich
(1945–1956). Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2009 (= Industrielle Welt 71), S. 334.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
52 Der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437