Seite - 65 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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in der Amandus-Edition erschien. Hier veröffentliche u. a. Ingeborg Bachmann
ihre ersten literarischen Texte.
Dagegen reichte das Spektrum der aus dem Mitteilungsblatt des „Theaters der
Jugend“ hervorgegangenen Literaturzeitschrift „neue wege“, – die Andreas Oko-
penko der zweiten Formation zurechnet und die, obwohl die Zeitschrift dem
Unterrichtsministerium unterstand, alles publizierte was Rang und Namen hat-
te, unabhängig davon, welche ideologische oder ästhetische Richtung die Auto-
rin bzw. der Autor vertrat –, von konservativ-katholisch bis atheistisch und
absurd. Junge Autorinnen und Autoren organisierten sich in einer Art Arbeits-
kreis rund um die Redaktion, was die „neuen wege“ zu einem Organ für alles
Experimentelle machte: Innerhalb der Zeitschrift bildete sich dann – so Oko-
penko – noch eine dritte Formation heraus.85
Auch die kommunistische Zeitschrift „(Österreichisches) Tagebuch“ förderte
junge Autorinnen und Autoren und widmete sich auf seinen Seiten der Litera-
tur- und Kulturpolitik der Zweiten Republik.86 Das ab April 1946 erscheinende
„Tagebuch“ hatte nicht wenige literarische Integrationsfiguren unter seinen Mit-
arbeitern, die auch in anderen österreichischen Zeitschriften dieser Jahre den
literarischen Neubeginn prägten, darunter Franz Theodor Csokor, Alexander
Sacher-Masoch, Ernst Jirgal, Basil, Rudolf Felmayer und Hugo Huppert. Die
Literatur wurde in der Zeitschrift als wesentlicher Beitrag zur österreichischen
Identitätsfindung erkannt und war in allen Heften präsent. Im ersten Jahrgang
widmete sich die innere Umschlagseite fast ausschließlich der Lyrik, später wur-
den auch längere Prosatexte auf den Seiten des „Tagebuchs“ gebracht.87 Bis Sep-
tember 1947 leitete Sacher-Masoch als Chefredakteur die Zeitschrift, ihm folg-
te Bruno Frei nach. Ab April 1948 erschien das „Tagebuch“ monatlich, mit dem
Untertitel „kulturpolitische Zeitschrift“. Im „Tagebuch“, einer etwas unsystema-
tisch geführten Plattform hinsichtlich der jüngeren Generation, erschienen bis
85 Wie Okopenko erklärt, gab den Anstoß dazu ein Gedicht von Friedrich Polakovics in den „pub-
likationen“ im Frühjahr 1951, das Hermann Hakel aufgefallen war; der „zog […] den Autor in
seinen Kreis. Dieser ‚zweite Hakelkreis‘ bestand vermutlich von 1951 bis 1958, einheitliches
Phänomen mit wechselnder Besetzung. In der Periode des Zweiten Kreises entfaltete Hakel
anscheinend eine Suggestivkraft, die auf die Jünger ungleich stärker wirkte als jene der PEN-
Club-Zeit, oder waren die Jünger der PEN-Club-Zeit einfach robuster oder besseren Gewis-
sens“. Okopenko: Die schwierigen Anfänge österreichischer Progressivliteratur nach 1945, S.
32.
86 Vgl. Norbert Griesmayer: Die Zeitschrift „Tagebuch“. Ergänzende Beobachtungen zur kultur-
politischen Situation in den fünfziger Jahren. In: Friedbert Aspetsberger (Hg.): Literatur der
Nachkriegszeit und der fünfziger Jahre in Österreich. Wien: ÖBV 1984 (= Schriften des Insti-
tuts für Österreichkunde 44/45), S. 75–111.
87 Vgl. Ingrid Pfeiffer: Scheideweg der Worte, S. 175 ff.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 65
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437