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schob sich so von Belletristik zum Sachbuch, was zu einer Reduktion der Belle-
tristik-Produktion führte. Die neuen Distributionsformen von Büchern orien-
tierten sich zunehmend an den Formen des US-Marktes.
In der unmittelbaren Nachkriegszeit war Papier Mangelware, was auch Fol-
gen für den Literaturbetrieb hatte.123 Eine für den Buchhandel zuständige minis-
terielle Papierverteilungskommission, die sich aus Vertretern des Unterrichts-
ministeriums, des Verlagswesens sowie den aus dem VdSJÖ rekrutierten Edwin
Rollett und Rudolf Henz zusammensetzte, versuchte den eklatanten Mangel zu
verwalten: Der gesamte monatliche Papierbedarf war 1946 mit 1.000 Tonnen
veranschlagt, bereitgestellt wurden jedoch nur 200 Tonnen. Die Papierknapp-
heit, die erst im Frühjahr 1948 beseitigt war, belastete den Buchmarkt schwer.
Erst Mitte der 1960er Jahre konnte die Buchproduktion an den Höhepunkt von
1948 anknüpfen, der aber noch mit minderwertigem Papier erreicht worden war.
Hinsichtlich der Öffentlichkeit und der Einseitigkeit der österreichischen
Literatur beklagt Hans Heinz Hahnl im „(Österreichischen) Tagebuch“:
Seit jeher beherrschen die Auflagen der [Robert] Hohlbaum, [Bruno] Brehm, [Josef
Friedrich] Perkonig, [Maria] Grengg […], [Josef] Weinheber, […] und so fort die
Auslagen nicht nur unserer Provinzbuchhandlungen. […] Die Buchhandlungen
verkaufen [Friedrich] Schreyvogl und Grengg; [Ernst] Scheibelreiter, Perkonig
begegnen uns in den großen Revuen. Wie lange wird es noch dauern, bis das Burgt-
heater ein neues Hohenstaufendrama [Josef] Wenters uraufführt? Es zeigt sich ein
ganz deutliches Bemühen offizieller Stellen und der Verlage, hier anzuknüpfen, wo
man in Wahrheit nie abgebrochen hatte.124
Marginal blieben Vermittlungs- und Marktförderung, obwohl es einige subven-
tionierte Verlagsprojekte wie etwa die „Berglandreihe“ für „neue Dichtung aus
Österreich“ gab. Ab 1956 brachte der Grazer Stiasny-Verlag eine „Stiasny-Bü-
cherei“, die bis zur Nummer 50 mit „Das österreichische Wort“ betitelt war, wobei
zunächst häufig Werke des 19.
Jahrhunderts verlegt und erst später auch zeitge-
nössische Schriftstellerinnen und Schriftsteller publiziert wurden. Die Aufgabe
der Reihe, die von Viktor Suchy betreut wurde, war es, die „österreichische Dich-
tung aus acht Jahrhunderten zu vermitteln und sie einzuordnen in die abend-
ländische Kultur- und Geistesgeschichte“.125 Die Reihe „Das österreichische Wort“
123 Vgl. Christoph Kepplinger-Prinz, Elisabeth Prinz: Kampf ums Papier. Literarische Produkti-
onsmittel um 1950. In: Journal of Austrian Studies 48 (2015), H. 3, S. 41–64.
124 Hans Heinz Hahnl: Der Büchermarkt von heute und die Literatur von morgen. In: Österrei-
chisches Tagebuch 1 (1946), H. 37, S. 10.
125 Volker Kaukoreit, Christine Pfoser (Hg.): Die österreichische Literatur seit 1945. Eine Annä-
herung in Bildern. Stuttgart: Reclam 2000, S. 96.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
76 Der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437