Seite - 153 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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giert, die trotz ihrer Vorbehalte gegen moderne Strömungen in der Literatur u.
a. Reinhard
P. Gruber, Marie-Thérèse Kerschbaumer, Jutta Schutting, Peter Tur-
rini, Christian Wallner oder Helmut Zenker erstmals eine Publikationsmöglich-
keit bot. In ihrem Tagebuch hat sie über ihre Vorgänger festgehalten: „Fast jede
Nacht sitze ich über dem ungeordneten Haufen Briefe, Manuskripte und Zeit-
schriften, die Kruntorad und Priessnitz in der Redaktion […] hinterlassen haben.
[…] Nicht einmal die Flaschen wurden ganz ausgeleert und weggetragen, auch
die Aschenbecher nicht.“264 Nachdem Fritsch 1969 aus dem Leben geschieden
war, übernahm Ebner die Redakteurstätigkeit, die sie bis 1978 innehatte.
Die Zeitschrift war ebenso wie die Vorgängerin sowohl mit dem Unterrichts-
ministerium als auch der ÖGL eng verbunden, denn Kraus trat weiterhin als
Vermittler zwischen Zeitschrift und Ministerium auf. Ein von Fritsch verfasster
Entwurf für eine Presseaussendung anlässlich der Gründung von „Literatur und
Kritik“ dokumentiert, dass Kraus auch für die neue Zeitschrift eine wichtige
Rolle zugedacht war: „Die Herausgeber verfolgen in ihrer Arbeit ähnliche Ziele
wie die ‚Österreichische Gesellschaft für Literatur‘, mit der sie nicht nur dies
verbindet.“265 Dieselbe Konstruktion bezüglich der Abonnements, die schon bei
„Wort in der Zeit“ bestanden hatte, räumte Kraus ein dezidiertes Mitsprache-
recht bezüglich des Inhalts ein.
Im Nachlass von Rudolf Henz finden sich die Herstellungskosten pro Heft,
die sich mit 250.000 Schilling zu Buche schlugen, wobei sich die Erlöse und
Zuschüsse durch die jeweils 500 Abonnements des Unterrichtsministeriums und
der ÖGL auf je 100.000 Schilling beliefen und über die ÖGL noch weitere 100
Hefte vertrieben wurden.266
Bereits bei der Zusammenstellung des ersten Hefts kam es zu inhaltlichen
Differenzen, weil ein Text von Ernst Fischer über moderne Kunst erscheinen
sollte, gegen den Kraus sein Veto einlegte und mit einem Auslieferungsstopp der
Zeitschrift drohte. Fritsch erklärte dem Otto-Müller-Verlag, dass, wäre der Arti-
kel beibehalten worden, die ÖGL „nicht nur die Pressekonferenz nicht veran-
staltet, sondern auch die 500 Exemplare der Zeitschrift [...] nicht verschickt hät-
te, wobei sich Kraus hinsichtlich der Subventionen der Zeitschrift sehr konkret
auf höhere und höchste Stellen berufen“267 hätte.
264 Jeannie Ebner: Der Genauigkeit zuliebe, Tagebücher 1942–1980. Graz, Wien, Köln: Styria 1993,
S. 134 f.
265 Gerhard Fritsch an Richard Moissl, 1. März 1966. Archiv Otto Müller Verlag. Zit. n. Renate
Langer: 30 Jahre „Literatur und Kritik“. In: Dies. (Hg.): 30 Jahre „Literatur und Kritik“. Salz-
burg: Otto Müller 1996, S. 5–25, hier S. 7.
266 Vgl. „Literatur und Kritik“-Budgetliste, NL RH, Karton 19/V.
267 Gerhard Fritsch an Richard Moissl, 1. März 1966. Zit. n. Langer: 30 Jahre „Literatur und Kri-
tik“. In: Dies. (Hg.): 30 Jahre „Literatur und Kritik“, S. 8 f.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 153
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437