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das erste große „Round-Table-Gespräch“ der ÖGL, das, ebenso wie das im Okto-
ber stattfindende Symposion „Unser Jahrhundert und sein Roman“ für interna-
tionales Aufsehen sorgte.401 Die Organisation dieser beiden groß angelegten,
breit rezipierten und bedeutenden Ost-West-Gespräche 1965 verdankte sich,
ebenso wie „Literatur als Tradition und Revolution“ 1967, der Wien-Paris-Ach-
se, da sich sowohl Finanzierung und Einladungspolitik dem „Kongress für kul-
turelle Freiheit“ verdankten, als dessen verlängertes kulturpolitisches Instrument
die ÖGL hier fungierte (vgl. Kapitel 6.2).
Der spätere Präsident der Tschechoslowakischen Republik Václav Havel, des-
sen Theaterstück Das Gartenfest im September 1965 im Burgtheater aufgeführt
wurde, präsentierte die ÖGL im Rahmen einer Diskussion mit dem Prager The-
aterdirektor Jan Grossmann. Im Oktober 1965 wurde die Verleihung des „Öster-
reichischen Staatspreises für europäische Literatur“ an den polnischen Lyriker
und Kraus-Intimus Zbigniew Herbert zelebriert. Der November 1965 bot mit
Bohumil Hrabal und Josef Škvorecký wieder Werke tschechoslowakischer Auto-
ren, und im November kam neue Lyrik aus Ungarn auf das Podium. Im Febru-
ar 1966 wurde mit Georg Ronay und Iván Mándy neue ungarische Prosa prä-
sentiert.
Miroslav Krleža trat im Juni 1966 mit dem Text „Tausendundein Tod“ auf, im
November 1966 folgte ein Empfang des avantgardistischen sowjetischen Schrift-
stellers Wassili Aksjonow, der in Wien auf Besuch war.
Neue slowakische Literatur stand im Februar 1967 auf dem Programm, und
im Oktober folgte eine Veranstaltung, die dem polnischen Lyriker Tadeusz Róże-
wicz gewidmet war.
Nach den Ereignissen des „Prager Frühlings“ 1968 war das Programm ganz
den tschechoslowakischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern gewidmet.
Aber nicht nur das. Wie Reinhard Urbach in einem Interview mit Hans Haider
dargelegt hat, machte die Belegschaft der ÖGL
während der dramatischen Tage in Prag Dienst bis Mitternacht, weil wir wussten,
dass unser Büro eine mögliche Anlaufstelle für Flüchtlinge ist. Das Ministerium
hat uns das Pouvoir gegeben, jedem Flüchtling sofort 3.000 Schilling als erste
Nothilfe auszuzahlen. Eduard Goldstücker stand eines Nachts mit einem Köffer-
chen vor der Tür. Er war über Bratislava ausgereist, ging gleich weiter nach Eng-
nien), Jan Grossmann (Tschechoslowakei) und Julius Háy (Ungarn).
401 Die international besetzte Diskussion „Unser Jahrhundert und sein Roman“, von 25. bis 27.
Okto-
ber 1965 konnte mit folgenden Gästen aus dem Osten aufwarten: Alfons Bednár, Ladislav
Mňačko, Josef Nesvadba, Josef Škvorecký (CSSR), Petar Šegedin (Jugoslawien), Roman Karst,
Tadeusz Konwicki (Polen), Ovid S. Crohmălniceanu, Marin Preda (Rumänien), Georgij Bonda-
rew (UdSSR), Tibor Déry und Géza Ottlik (Ungarn).
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0 . 189
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437