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Kunst und Kultur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Seite - 208 -
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lisch, die Kirche hat dort eine Position wie in kaum einem anderen europäischen Gebiet. Mit dem heute ungemein lebendigen katholischen Glauben hat die Latini- tät noch Gegenwärtigkeit, in ihr steckt Antike und Humanität, die Kirche war tat- sächlich eine Arche Noah für die griechische und römische Kultur.58 Vor diesem soziokulturellen Hintergrund erklärt sich für Kraus eine Persönlich- keit wie Herbert, der 1964 auch in der ÖGL auftrat und Kraus freundschaftlich verbunden war: „Sie sind wirklich ein Muster-Freund, besser ein lebendiges Denkmal von Freundschaft, daß Sie haben mich nicht vergessen [sic] [...]. Mei- ne Gedanken sind oft in Wien, bei Ihnen“.59 Zwei Jahre vor dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ wagte Kraus das utopische Gedankenspiel, dass die Emigrantinnen und Emigranten der Oststaaten wieder in ihre eigenen Länder zurückkehren würden und zeichnete die Folgen für das westeuropäische Geistesleben nach. Als Heimkehrer nennt er u. a. Alexander Solschenizyn, Andrei Sinjawski, Joseph Brodsky und Efim Etkind. Die Möglich- keit zur Rückkehr wünscht sich Kraus auch für Milan Kundera, Josef Škvorecký, Jiří Kolář, Czesław Miłosz, Sławomir Mrożek und Jan Kott: Die gesamte Kulturlandschaft Europas würde sich verändern – und zwar keines- wegs zugunsten des politischen Westens. Dort sitzen nämlich die Emigranten aus dem sogenannten Osten und bilden das unschätzbare Ferment des heutigen Kul- turlebens. Wie stünde es um die Kultur des Westens, wenn der reale Sozialismus auf diese so fruchtbaren, wertvollen Intellektuellen und Künstler nicht ängstlich verzichtet hätte? […] Warum sollten ähnliche Impulse nicht erfolgen, wenn alle diese Emigranten – bei offenen Grenzen – nicht hätten ihr Land verlassen müssen oder wenn sie zurückkehren könnten, um dort ungestört zu arbeiten und zu pub- lizieren? Natürlich würden sie vorerst ihrem eigenen Land zugute kommen. […] Demokratische Normalität braucht Zeit nach derart prägenden totalitären Epo- chen.60 Dass die östlichen Emigranten ein „unschätzbares Ferment“ des westeuropäi- schen Kultur- und Literaturbetriebes waren, darin bestand für Kraus und das von ihm prolongierte Konzept einer mitteleuropäischen Literatur kein Zweifel, vielmehr sah er darin ein unbestreitbares Faktum. Im Gegenzug dazu sei jedoch die Frage gestellt, wie es mit Kraus’ Disposition hinsichtlich der österreichischen Gegenwartsliteratur bestellt war. 58 Wolfgang Kraus: Gehe aufrecht, wo andere knien! In: Die Presse. 23./24.  November 1974. 59 Zbigniew Herbert an Wolfgang Kraus, 15.  Jänner 1973, NL WK. 60 Wolfgang Kraus: Ost-Fermente. In: Die Furche, 13.  März 1987. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0 208 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
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Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Titel
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Autor
Stefan Maurer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23312-1
Abmessungen
15.8 x 24.0 cm
Seiten
452
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
    1. 1.1 Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 9
    2. 1.2 Biographische Einführung 22
  2. 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
    1. 2.1 Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 48
      1. 2.1.1 Politische Rahmenbedingungen: Österreich nach 1945 49
      2. 2.1.2 Institutionen, Kulturveranstaltungen und Vereine 54
      3. 2.1.3 Zeitschriften und Rundfunk 61
      4. 2.1.4 Literaturpreise und staatliche Förderung 70
      5. 2.1.5 Private Initiativen 71
      6. 2.1.6 Verlagssituation und Buchhandel 74
    2. 2.2 Resümee 78
  3. 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
    1. 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
      1. 3.1.1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖGL 87
      2. 3.1.2 Staatliche Subvention 92
      3. 3.1.3 Stellungnahmen zur ÖGL 94
      4. 3.1.4 Aufgaben und Zielsetzungen der ÖGL 96
    2. 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
    3. 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
    4. 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
    5. 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
    6. 3.6 Forum der Jugend 180
    7. 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
    8. 3.8 Resümee 190
  4. 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
    1. 4.1 Kraus als Literaturvermittler 196
      1. 4.1.1 Modernität und Kontinuität 199
      2. 4.1.2 Diskontinuitäten: 1934–1938–1945 210
      3. 4.1.3 Literatur und Katholizismus 216
      4. 4.1.4 Avantgarde und Provinzialismus 223
    2. 4.2 Der Literaturkritiker Kraus 226
    3. 4.3 Der Literatur-Organisator Kraus 245
      1. 4.3.1 Im Europa-Verlag 245
      2. 4.3.2 „Die Rampe“ 254
      3. 4.3.3 Literatur-Preise 259
    4. 4.4 Polemiken und Kämpfe im Feld 280
    5. 4.5 Resümee 294
  5. 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
    1. 5.1 Elemente einer Kraus’schen Kulturpolitik 302
    2. 5.2 Jenseits der Parteipolitik? 307
    3. 5.3 Die Kulturkontaktstelle 323
    4. 5.4 „Europalia 1988“ 338
  6. 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
    1. 6.1 Der kulturelle Kalte Krieg in Europa 355
    2. 6.2 Die Round-Table-Gespräche der ÖGL 367
    3. 6.3 Die ÖGL und der „Marshall Plan for the Mind“ 375
    4. 6.4 Die intellektuellen Dissidenten aus dem Osten 385
  7. 7. RESÜMEE 399
  8. 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
    1. 8.1 Ungedruckte Quellen 403
      1. 8.1.1 Nachlässe 403
      2. 8.1.2 Sammlungen 403
    2. 8.2 Gedruckte Quellen 404
      1. 8.2.1 Zeitungen und Zeitschriften (in Auswahl) 404
      2. 8.2.2 Primärliteratur 404
      3. 8.2.3 Sekundärliteratur 409
  9. 9. PERSONENREGISTER 437
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