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Bischöfe Österreichs unter Kardinal Franz König, die den Dialog zwischen Kir-
che und kulturellen Kräften zu stärken versuchte. In seinem Vortrag strich Kraus
die „untrennbare Verbindung zwischen Kirche und Kultur hervor und wies auf
neue Möglichkeiten der Begegnung hin.“106
Auch am „Arbeitskreis“ des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK) in Mün-
chen nahm Kraus in den 1980er Jahren teil, der vom bayerischen Kultusminister
Hans Maier ins Leben gerufen worden war: „Sehr gewinnreich. […] Schlage
katholischen Kulturdienst im Rahmen des Z[entralkomitees]. vor, der katholi-
sche Autoren und Künstler managen soll, das aber als Tischnachbar des Minis-
ters. Gefällt ihm sehr“107, hält Kraus im Tagebuch fest. Es wurde in der Folge
versucht, dieses Konzept in die Tat umzusetzen. Maier, welcher der Christlich-So-
zialen Union Bayerns (CSU) angehörte und auch eine Guardini-Stiftung, benannt
nach dem italienischen Theologen und Religionsphilosophen Romano Guardi-
ni, gegründet hatte, hielt in seiner Autobiografie Böse Jahre, gute Jahre fest, dass
er in einem „Gesprächskreis ‚Kirche und Kunst‘ […] über viele Jahre hin Archi-
tekten, Maler, Musiker, Literaten, Filmleute, Regisseure“ versammelt habe.
Gemeinsam mit dem Literaturkritiker Werner Ross, dem Kunsthistoriker Anton
Henze und dem Architekten Justus Dahinden rief er ein „Literaturbüro“ unter
dem Dach der Katholischen Akademie in Bayern ins Leben, deren Leitung der
Germanist Hans-Rüdiger Schwab übernahm: „Er besuchte die schreibende Zunft
in Deutschland, befragte sie über die Kirche, den Glauben, die Künste. Vor allem
spürte er junge, noch unbekannte Literaten auf. Wir erreichten, dass ein Kunst-
und Kulturpreis der deutschen Katholiken geschaffen wurde, gemeinsam getra-
gen von ZdK und Bischofskonferenz.“108
Das Arbeitsprogramm des Literaturbüros umfasste dabei folgende Punkte:
Zunächst sollten „Beobachtung[en] literarischer Tendenzen“ durchgeführt wer-
den und „christliche oder dem Christentum nahestehende[] Autoren“, „religiö-
se Motive, christliche Tradition, Anzeichen neuer Spiritualität bei nichtchristli-
chen Autoren“ und „Aufklärerisches, dezidierte Kirchenfeindlichkeit“ mit
einbezogen werden, wobei der Niederschlag dieser Tendenzen in den Medien
106 N. N.: Wolfgang Kraus: „Kirche und Kultur untrennbar“. In: Die Presse, 8. April 1981, S. 5.
107 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 2. Oktober 1983, NL WK.
108 Hans Maier: Böse Jahre, gute Jahre: Ein Leben 1931
ff. München: Beck 2011, S. 274. Maier hat
Kraus’ Beteiligung an der Konzeption des „Literaturbüros“ in seiner Autobiografie zwar uner-
wähnt gelassen, dafür vermerkt er anlässlich eines Besuches in Wien: „Ich besuchte die ‚ÖGL‘
in der Herrengasse. In diesen bescheidenen Räumen, mehr Zimmern als Sälen, gingen in den
sechziger Jahren Thomas Bernhard und Peter Handke aus und ein, damals noch gänzlich unbe-
kannt – und auch die Alten, Arrivierten waren da: Heimito von Doderer, Elias Canetti, Manès
Sperber. Wolfgang Kraus schuf diesen mitteleuropäischen Treffpunkt in den ersten Jahren nach
dem Staatsvertrag, als der russische Ring um Wien sich lockerte und neue Initiativen, auch
literarische, gewagt wurden.“, Ebd., S. 344 f.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Literatur und Katholizismus 221
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437