Seite - 249 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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der Roman Erben des Feuers sowie ein Band mit Erzählungen Demosthenes spricht
gegen die Brandung. Mit dem Gedichtband Aus zerschossenem Sonnengeflecht
und den Essays Träume im Spiegel wurde die Ausgabe 1973 zum Abschluss
gebracht. Auf öffentlichkeitswirksame Propagierung verstand sich Kraus, er
sandte Rezensionsexemplare an alle wichtigen in- und ausländischen Medien
und holte sich zur Promotion Zitate über das Werk Zands von u. a. Elias Canet-
ti, H. G. Adler sowie Jakov Lind.
Letzteren wollte Kraus ebenfalls für sein Programm gewinnen und fragte wie-
derholt an, da er „vom Verlag aus sehr gerne ein Manuskript von Ihnen“ gehabt
hätte: „Vielleicht können Sie mir schon etwas schicken!“239 Dieselbe Anfrage
erging an Jean Améry, dieser lehnte jedoch freundlich ab, was er mit Solidarität
gegenüber seinem Hausverlag Klett-Cotta argumentierte: „‚Wie sag’ ich’s mei-
nem Klett?‘. Man hat mich dort immer sehr gut behandelt, hat mir namentlich
auch im „Merkur“ eine ständige und wichtige Tribüne geschaffen, hat mir wie-
derholt grosse Fernseh-Sendungen vermittelt, so dass ich ehrlich Angst habe, es
könnte dort als Undankbarkeit und Illoyalität aufgefasst werden, wenn ich anders-
wo ein Buch herausförderte.“240
Erfolgversprechend für den Europa-Verlag war Kraus’ Bekanntschaft mit dem
französischen Philosophen E.
M. Cioran, der ebenfalls gefragt wurde, dem Euro-
pa-Verlag ein Werk zur Verfügung zu stellen: „Ich freue mich Ihnen zu sagen
das mein letztes Buch ‚Le mauvais Démiurge‘ frei ist. Sie müssen sich dafür an
Gallimard wenden, um die Rechte der Übersetzung zu erhalten, und ich würde
Ihnen empfehlen Gallimard zu sagen[,] dass ich damit einverstanden bin.“241
Das Buch erschien in der Übersetzung von François Bondy 1973 unter dem Titel
Die verfehlte Schöpfung.
Zu den österreichischen Autorinnen und Autoren, die Kraus in den Euro-
pa-Verlag holte, ist zu bemerken, dass diese heute als weitgehend vergessen zu
bezeichnen sind und nicht im Kanon der österreichischen Literatur Platz gefun-
den haben. Ein Großteil der Autorinnen und Autoren trat zur Präsentation ihrer
Werke auch in der ÖGL auf: der österreichische Theaterregisseur und Schrift-
steller rumänischer Abstammung Vintilă Ivănceanu las aus Unser Vater der Dra-
che am 28. April 1972 vor, zum „Umgang mit Schriftstellern“ sprach François
Bondy anlässlich des Erscheinens des Werks Gespräche am 21.
März 1972. Auch
Kurt Beneschs Der Sonne näher. Notizen eines Outsiders wurde im Dezember
1972 eine Präsentation gewidmet, ebenso wie Diana Canettis Eine Art von Ver-
rücktheit. Zum Abschluss der Gesamtausgabe der Werke Herbert Zands fand im
239 Ders. an Jakov Lind, 14. April 1972, Österreichische Exilbibliothek im Literaturhaus Wien,
N1.EB-6, Nachlass Jakov Lind.
240 Jean Améry an Wolfgang Kraus, 2. Mai 1972, NL WK.
241 E. M. Cioran an Kraus, 18. September 1971, NL WK.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Der Literatur-Organisator Kraus 249
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437