Seite - 255 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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der (wenig bekannten) Hauptwerke der konkreten Poesie. 1976 gründete er den
Verlag „edition neue texte“, der wichtige Werke von Ernst Jandl, Friederike May-
röcker, Reinhard Priessnitz, Gerhard Rühm und Ferdinand Schmatz veröffent-
lichte.
Dagegen war Fussenegger dem konservativen Lager zuzurechnen, deren Werk
eine starke Prägung hin zum Katholischen innewohnte. Weltanschaulich und
hinsichtlich ästhetischer Kriterien sind beide als Antipoden zu bezeichnen. An
Bäcker schrieb Fussenegger, dass beide im Literaturbetrieb „als polare Figuren“
gelten würden, die Autorin empfand dies jedoch nicht so: „Ich finde, daß wir
uns in persönlichen Gesprächen oft sehr gut verstanden haben. Der Rahmenbau
unseres Weltbildes mag recht verschieden sein. Aber in den Feinstrukturen dürf-
te es nicht wenig Verwandtschaft geben. Ich persönlich halte die Übereinstim-
mung in den Feinstrukturen für wesentlich.“259 Der Schriftsteller Eduard
C. Hei-
nisch kritisierte die Zusammensetzung des Redaktionsteams, da sie „nach
schönem Proporzdenken“ erfolgt sei: „Für die Konservativen Gertrud Fusseneg-
ger, politisch und literarisch rechts, für die Progressiven Meinrad [sic] Bäcker,
politisch und literarisch links. […] Fehlt noch das ‚Zünglein an der Waage‘. […]
Es handelt sich […] um jenen Wolfgang Kraus, der derzeit die dubiose Promi-
nentenaktion für den Verbleib Gerd Bachers im ORF anführte.“260 Kraus hatte
sich nach einem Gespräch mit Fussenegger bereit erklärt, dem „kleinen Team
beizutreten“.261
Als Eigentümer der im März 1975 erstmals erschienenen Zeitschrift, zeich-
nete das Land Oberösterreich, als „Schriftleiter und Herausgeber“262 Fusseneg-
ger, Bäcker und Kraus. Die Herausgeber ließen hinsichtlich des Konzepts fol-
gendes verlautbaren:
Wir wollen zweimal im Jahr ein taschenbuchartiges Bändchen von etwa 150 Seiten
erscheinen lassen. In ihm sollen sich gute Autoren präsentieren können. Es wäre
zwar der Wunsch des Eigentümers und auch der Herausgeber, daß dabei die Lite-
ratur des Landes Oberösterreich zu Wort kommt. Doch an eine Eingrenzung auf
dieses Land ist nicht gedacht. Andererseits will „Die Rampe“ den einzelnen Autor,
den sie vorstellt, ausführlicher konturieren, als das in den meisten anderen Zeit-
schriften und Jahrbüchern der Fall ist. Darum möchte sie die zeitgenössische lite-
rarische Szenerie nicht in jedem einzelnen Heft in facettenhafter Aufgliederung
259 Gertrud Fussenegger an Heimrad Bäcker, o. D., Literaturarchiv der Österreichischen Natio-
nalbibliothek, Vorlass Heimrad Bäcker, ÖLA 153/00, Sign.: 153/S118/2 [im Folgenden als VL
HB zitiert].
260 Eduard C. Heinisch: o. T. In: Kronenzeitung, 9. August 1974.
261 Gertrud Fussenegger an Heimrad Bäcker, 30. Mai 1974, VL HB.
262 Heimrad Bäcker, Gertrud Fussenegger, Wolfgang Kraus: Wir legen das erste Heft der Litera-
turzeitschrift „Die Rampe“ vor, VL HB.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Der Literatur-Organisator Kraus 255
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437