Seite - 260 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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Anlässlich einer Rede zum 20-jährigen Bestehen der ÖGL hat Kraus festge-
halten, bei welchen Literaturpreisen er involviert war:
Noch in unserem ersten Jahr konnten wir den Anton-Wildgans-Preis der Industri-
ellenvereinigung anregen. Unsere Idee war der ‚Österreichische Staatspreis für Euro-
päische Literatur‘, der das literarische Interesse und die literarische Kompetenz
Österreichs über die Grenzen hinaus beweisen sollte. Ich habe dem Verlag Kremayr
und Scheriau dafür zu danken, daß meine Idee eines Literaturpreises für den Bereich
der Non-Fiktion verwirklicht werden konnte, der als ‚Donauland Sachbuch-Preis‘
in der Erstverleihung an Konrad Lorenz ging. Damit war doch wenigstens das ers-
te Zeichen zur literarischen Beachtung einer in England und Frankreich längst
hochgeschätzten Buchgattung gegeben. Der Niederösterreich-Gesellschaft, dem
Land Niederösterreich und der Stadt Klosterneuburg verdanken wir, daß unsere
Idee, einen Kafka-Preis zu schaffen, realisiert werden konnte […]. Es wird vielen
von Ihnen vielleicht unbekannt sein, daß die Idee der Staatsstipendien für Schrift-
steller, und zwar solche der jungen, aber auch der mittleren und älteren Generation,
jahrelang von hier an das Ministerium für Unterricht herangetragen wurde.281
Es sind verschiedene aus dritter Hand finanzierte Literaturpreise, ganz abgese-
hen von seiner Beteiligung in staatlichen Jurys, die Kraus hier zu einem zentra-
len Akteur hinsichtlich von Preisvergaben im literarischen Feld machen. Dazu
kam 1984 noch die Gründung einer Manès-Sperber-Gesellschaft, die einen gleich-
namigen Preis verlieh. Kraus selbst hat an der staatlichen Preisvergabe Unbeha-
gen geäußert und versuchte, private Initiativen anzuregen, damit auch „alle jene,
die beim Schreiben den Leser nicht vergaßen, sich also ihrer sozialen Integrati-
on in der Gesellschaft bewußt blieben und trotzdem beim Buchhandel nicht
durchkamen“, „im Förderungskarussell nur selten mitfahren konnten“,282 zum
Zug kamen. Kraus missfiel, dass jene Autorinnen und Autoren eine „Sonder-
stellung erhielten“, die „durch spektakuläre Offensiven gegen Österreich oder
kräftige anarchische Provokation Lärm und Aufregung in den Massenmedien
und der Öffentlichkeit erzeugten: sie wurden meist durch Begünstigung in gut
subventionierten Theatern mit Preisen und Präsentationen öffentlich umsorgt
und finanziell gutgestellt.“283
Die von Kraus geleistete Juryarbeit markierte aber auch den jeweiligen Stand
der österreichischen Literatur, denn durch seine verschiedenen Vota verfügte er
281 Wolfgang Kraus: Aus der Rede zum 20jgen Bestehen der „Österreichischen Gesellschaft für
Literatur”, 10. Dezember 1981, NL WK.
282 Kraus: Zwischen Trümmern und Wohlstand. In: Zeman (Hg.): Geschichte der Literatur in
Österreich, S. 591 f.
283 Ebd., S. 592.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
260 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437