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als einer der Protagonisten des Mitteleuropa-Gedankens galt und nach einstim-
miger Empfehlung der Jury des Wissenschaftsministeriums nominiert wurde,
die sich aus Kraus, Hans Haider, Rainer Münz und Rudolf Burger zusammen-
setzte. Mit den Romanen Der Besucher (1969) und Der Komplize (1980), die mit
deutlichen Bezügen zur ungarischen Zeitgeschichte ein intellektuelles Schicksal
im Bannkreis der „Staatskultur“ schildern, sowie dem Essayband Antipolitik.
Mitteleuropäische Meditationen (1985) hatte Konrad wesentlich zur Herausbil-
dung eines neuen Mitteleuropa-Bewusstseins beigetragen.
Mit Ilse Aichinger folgte 1991 die erste Preisträgerin und 1992 wurde der
in den USA wirkende Sozialwissenschaftler Peter L. Berger, der für seine
richtungsweisenden Arbeiten zur Theorie der Wissenssoziologie sowie für
seine zahlreichen Arbeiten zum Verhältnis von Religion und Gesellschaft –
z. B. dem gemeinsam mit Thomas Luckmann verfassten The Social Const-
ruction of Reality (Dt. Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit),
– ausgezeichnet wurde. Berger, geboren 1929 in Wien, hatte nach dem
„Anschluss“ 1938 Österreich verlassen und 1952 die US-amerikanische Staats-
bürgerschaft angenommen. Er lehrte Soziologie an der Universität Boston.
Kraus hatte bei diesem Kandidaten das Votum der Jury gehalten. Ein weite-
rer Preisträger war Michael Köhlmeier (1994), und zuletzt folgte mit Fritz
Habeck (1996) ein Schriftsteller der älteren Generation, einer von Kraus’
Favoriten, dem er bereits den Preis der Stadt Wien (1982)364 sowie den Wild-
gans-Preis (1963) zuerkannt hatte.
Tage der deutschsprachigen Literatur
So erfolgreich und breitenwirksam Kraus’ Projektierungen in Sachen Preisver-
gaben auch sein mochten, verbanden sich doch auch, wie dargestellt wurde, lite-
raturbetriebliche Komplikationen und Animositäten mit dieser Tätigkeit. Als
weiteres Beispiel, in diesem Fall sozusagen coram publico, soll der Ingeborg-Bach-
mann-Wettbewerb 1984 angeführt werden. Im Rahmen des achten Bach-
mann-Preises war Kraus während des dreitägigen Wettbewerbs an der Seite von
Klara Obermüller, Walter Hinck, Gertrud Fussenegger, Manfred Mixner, Walter
Jens, Martin Gregor-Dellin, Peter Härtling, Marcel Reich-Ranicki und Humbert
Fink als Juror aufgestellt. Hier stand Kraus’ Jurorentätigkeit von Anfang an unter
keinem guten Stern. Zunächst hatte Peter Handke im Vorfeld des Wettbewerbs
in „Die Zeit“ die Veranstaltung als „‚legalisierten Akt der Kultur-Abtreibung‘“
bezeichnet, und die Kritiker als einen „‚Trupp gravitätisch-nichtsnutziger Bar-
baren‘ am Werk gesehen, ‚vor denen ein paar arme, eifrige, beflissene Talente
364 Vgl. Wolfgang Kraus: Tagebuch, 1. April 1982, NL WK.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
276 Wolfgang Kraus und die österreichische Literatur
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437