Seite - 320 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Bild der Seite - 320 -
Text der Seite - 320 -
ser Katalog jedoch „nur die Elemente der Opfererzählung“ Österreichs repetie-
re, „die Gründe des Image-Schadens primär in Kreiskys und Waldheims Nah-
ostpolitik“ und „erst sekundär in der Beteiligung Österreichs an den
NS-Verbrechen“ suche; dennoch verfehlten alle diese „Image“-Maßnahmen, die
„nach dem Wechsel im Außenministerium von [Peter] Jankowitsch zu [Alois]
Mock nochmals intensiviert wurden“107, ihre Wirkung.
Das „Image“-Komitee bestand aus Gerald Hinteregger, dem Generalsekretär
des Auswärtigen Amtes, den Journalisten Paul Lendvai und Hugo Portisch, Fritz
Molden, dem Historiker Gerald Stourzh sowie Wolfgang Kraus. Ein Grund für
die relative Bedeutungs- und Erfolglosigkeit des „Image“-Komitees dürfte auch
die personelle Konstellation gewesen sein, folgt man Kraus’ Tagebuch:
Die meisten waren in Eile und überanstrengt – da fielen die Masken: Lendvai pene-
trant, stets dreinredend […]. Am liebsten würde er stets allein und befehlend reden.
Dabei ist vieles gescheit. Portisch auch der ewige Chefredakteur, der Anweisungen
gibt und präsidiert. Ebenfalls sehr intelligent. Beide geradezu antikulturell, ohne
die geringste Beziehung zu dem, was Kultur ausmacht, sich unklar darüber, dass
sie dort, wo sie wesentlich sind (wertorientiert), aus (unbewußten) kulturellen
Restbereichen handeln, die auch bei ihnen schrumpfen. Kultur ist für sie ein lästi-
ges, störendes Anhängsel. Stourzh ein Wissenschaftler, für den Kultur der ‚Herr
Karl‘ ist, Aufarbeitung – und das ist es gerade hier nicht – der Vergangenheit. Mol-
den noch ein wenig auf meiner Linie, ich schweigsam, weil ich nicht noch lauter
brüllen will. Hinteregger rein machtpolitisch: er brauchte keine Taten, nur ein vor-
zeigbares Papier und 5 Persönlichkeiten mit Einfluß und Namen, für die alte Regie-
rung, fürs Fernsehen und die Öffentlichkeit.108
Kraus’ Überlegungen gingen in Richtung eines permanenten Kulturkomitees,
das dem jeweiligen Minister beratend zur Seite stehen sollte, und er wies in sei-
nem Maßnahmenkatalog darauf hin, dass es bereits unter Außenminister Wil-
libald Pahr einen Beirat gegeben habe, der „zum Großteil von mir zusammen-
gestellt“109 worden sei.
107 Ebd., S. 123.
108 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 17. Oktober 1986, NL WK.
109 Ders.: Vorschläge für ein Kulturkomitee, ebd. Zusammensetzen sollte sich das Komitee aus
Professor Fritz Pasche von der Technischen Universität Wien, Alfred Payrleitner von der
Hauptabteilung Wissenschaft beim ORF, dem Architekten Hans Hollein, dem Germanisten
Werner Welzig, dem Dramatiker Helmut Schwarz, dem Journalisten, Verlagsleiter und Wider-
standskämpfer Fritz Molden, dem Schriftsteller György Sebestyén, dem Philosophen Peter
Kampits, Claus Helmut Dresse, dem Direktor der Wiener Staatsoper, Hermann Fillitz, dem
Direktor des Kunsthistorischen Museums, dem Architekten Gustav Peichl sowie dem Regis-
seur Axel Corti.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
320 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437