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Österreichs“, die, so Kraus, „historisch hart belegt und journalistisch bestens
geschrieben“ sein sollte, und er erinnerte daran, dass Ernst Marboe ein „Öster-
reichbuch“ geschrieben habe, das „umstritten, aber im Ansatz geschickt gewe-
sen“ sei und „einst gewaltiges Aufsehen erregt“ habe, wobei „Stil und Zielrich-
tung […] allerdings heute vollkommen anders sein“116 müssten. Kraus bezieht
sich hier auf das 1948 von Ernst Marboe herausgegebene Österreich-Buch,117
das zwar als Werk über die Geschichte Österreichs angelegt war, diese jedoch
unter mythologisierenden Vorzeichen behandelte. Das Werk löste „[h]arte Begrif-
fe wie Land, Geschichte und Politik“ in „weiche wie Landschaft, Heimat und
Kultur auf“.118
Darüber hinaus wollte Kraus zahlreiche „individuelle Einladungen“ an „aus-
ländische[] Multiplikatoren“ nach Wien ergehen lassen, die „maßgeschneidert
auf jeden Einzelnen“ ausgesprochen werden sollten, schlug eine „Sanierung aller
jüdischen Friedhöfe in Österreich durch die Gemeinden, eventuell mit Hilfe der
katholischen Jugend und anderer Organisationen“ vor, da hier viele Emigran-
tinnen und Emigranten klagen würden, und befürwortete eine systematische
„Verschickung von Zeithistorikern und politischen Journalisten der Spitzenklas-
se, die in verschiedenen Ländern Vorträge über die Erste und Zweite Republik
in Österreich“ halten sollten, wobei ein „mit entsprechendem Material“ begrün-
detes „objektives Bild entworfen“ werden sollte.119
Seine kulturpolitischen Management-Fähigkeiten hatte Kraus sich im Zuge
seiner Arbeit in der „Kulturkontaktstelle“ im Außenministerium erarbeitet, die
in der Folge nur kurz zur Darstellung kommen kann, da sich etwaige Dokumen-
te, die die „Kontaktstelle“ betreffen, sich in den Archiven des Außenministeri-
ums nicht erhalten haben. Die Auslandskulturpropaganda, um die es Kraus zu
tun war, berief sich stets auf ein unpolitisches Österreich-Bild bzw. war bemüht,
die politische Vergangenheit des Landes zugunsten der herausragenden Kultur
abzuschwächen. Eine Schieflage, die wohl den kulturpolitischen Prämissen einer
kohärenten Darstellung der Zweiten Republik zuzuschreiben ist, denen der Funk-
tionär Kraus hier unterworfen war.
116 Wolfgang Kraus: Beitrag zum Maßnahmenkatalog, NL WK. Kraus’ Vorschläge zum Maßnah-
menkatalog liegen einem Brief an den Gesandten des Außenministeriums Dr. Herbert Kröll
vom 29. September 1986 bei.
117 Vgl. Ernst Marboe: Das Österreich-Buch. Wien: Verlag d. Österr. Staatsdruckerei 1948.
118 Béla Rásky: Erinnern und Vergessen der Habsburger in Österreich und Ungarn nach 1918. In:
Karl Müller, Hans Wagener (Hg.): Österreich 1918 und die Folgen. Geschichte, Literatur, The-
ater und Film. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2009 (= Literatur und Leben N. F. 76), S. 25–58,
hier S. 44.
119 Kraus: Beitrag zum Maßnahmenkatalog, NL WK.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
322 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437