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Durch das Einrichten der „Kontaktstelle“ sollte „die Koordination mit den
Fachministerien, aber auch mit den Vertretern verschiedener wissenschaftlicher
und künstlerischer Institutionen des Inlandes verbessert werden“, die nach Kraus’
Abgang „dann zu einer eigenen ministeriellen Abteilung umgewandelt [wurde],
der Abteilung 6 der Sektion V“124 befasst ist. Ermöglicht hatte die Etablierung
Minister Erich Bielka-Karltreu, mit dem Kraus persönlich bekannt war: „Er
[Bielka-Karltreu] hatte mich von hier aus in Wien angerufen, ich solle kommen
wegen der Situation der Kulturinstitute. Bietet mir an, zu versuchen, die Sekti-
onsleitung für mich durchzusetzen oder die Leitung der Clearing-Stelle. Das
erstgenannte nur ein Versuch, da dies vom Ministerrat abhängig sei. Das zweite
sofort realisierbar.“125 Die Bekanntschaft mit Bielka-Karltreu ging in die zweite
Hälfte der 1940er Jahre zurück, als Kraus in seiner Tätigkeit als Lektor bei Zsol-
nay den Roman Arabesken des Lebens (1947) von Rudolf Jeremias Kreutz, Biel-
kas Schwiegervater, betreute. Kraus dürfte seinen Förderer, der zwischen 1974
und 1976 in Kreiskys Kabinett als parteiloser Außenminister fungierte, überaus
geschätzt haben, bezeichnete er ihn in seinem Tagebuch doch als „scharfsichti-
ge[n], sehr intelligente[n] Mann, menschlich offen und herzlich“.126
In seinem Tagebuch vermerkt Kraus, dass der „ganze Lebensstil […] durch
die Tätigkeit im Ministerium“ verändert worden sei, „so frei ich dort bin“: „Jeman-
den über sich zu haben, Teil eines Apparats zu sein. Keine nutzlose Erfahrung,
denn so leben beinahe alle.“127
In der Folge arbeitete Kraus ein Konzept für diese Kontaktstelle aus, die
zunächst noch den Namen „Österreichischer Kulturdienst“ trug: „Der ‚Öster-
reichische Kulturdienst‘ sollte aus einem kleinen Büro bestehen, das unbürokra-
tisch, ohne amtliche Komplikationen, wenn auch in engem Kontakt mit der Kul-
tursektion agieren kann.“128 Als Besetzung wollte Kraus auch noch zwei
Assistenten, die sich aus der Belegschaft des Außenministeriums rekrutieren
sollten.
Die Aufgaben der „Kulturkontaktstelle“ macht Kraus an zwei organisatori-
schen Blöcken fest. Erstens sollte über diese Stelle die sofortige „Erledigung der
Anfragen und Aufträge der verschiedenen Kulturinstitute und Kulturräte im
Ausland“ erfolgen, wodurch er sich eine Verstärkung des Kontakts mit den Kul-
turstellen im Ausland und österreichischen Institutionen sowie zentralen Per-
sönlichkeiten versprach: „Dies soll in allen Bereichen, auch den anderen Minis-
124 Peter Kampits: Die Auslandskulturpolitik Österreichs: Konzepte, Strukturen, Perspektiven.
Wien: Braumüller 1990 (= Informationen zur Weltpolitik 12), S. 25.
125 Wolfgang Kraus: Tagebuch, 17. August 1974, NL WK.
126 Ebd.
127 Ders.: Tagebuch, 13. Dezember 1975, NL WK.
128 Wolfgang Kraus: Kurzes Exposé für eine geplante „Servicestelle“ des Außenministeriums, ms.
Ts., NL WK.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
324 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437