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Sprache […], sondern um die Wirklichkeit, die diese Strukturen beschreiben“156,
geht, sowie dessen Glashausbesichtigungen (1970).
Ein zentrales Element von Kraus’ Vertrag mit dem Außenministerium war, dass
die „Kontaktstelle“ zwar nicht an die Kanzleiordnung gebunden war, jedoch zur
Koordinierung mit der Sektion V bzw. anderen Dienststellen im Informations-
austausch stehen sollte. Kraus wurde damit nicht nur zum „Importeur“, sondern
auch zum „Exporteur“ österreichischer Literatur in einem internationalen Maß-
stab. Aufschluss darüber, welche Autorinnen und Autoren ins Ausland geschickt
wurden, geben die „Außenpolitischen Berichte“ des Ministeriums. Der Aus-
landskulturbericht fasst dabei die von der „Kontaktstelle“ ausgehenden Aktivi-
täten zusammen. Für das Jahr 1977 hob der Bericht die österreichische Literatur
speziell hervor, die sich „besonders profiliert“ und im Ausland einen „guten
Ruf“ erworben habe: „Trotz der Sprachbarrieren waren Schriftsteller und Ger-
manisten sowie Diskussionen über einschlägige Themen besonders erfolgreich
von den ausländischen Partnern auch immer wieder gewünscht.“157 Das Minis-
terium unterstützte u. a. Lesungen von Jean Améry in Bonn, von H.
C. Artmann
in Berlin, von Christine Busta in Budapest, von Elias Canetti in Winterthur sowie
von W. G. Fischer in Warschau. Eine Vortragstournee von Barbara Frischmuth
durch Ägypten, den Iran und die Türkei, Lesungen von Mitgliedern der soge-
nannten Grazer Gruppe, bestehend aus Wolfgang Bauer, Bernhard Hüttenegger
und Alfred Kolleritsch in Bern, Genf sowie Zürich und eine Lese-Tournee von
Peter Henisch sowie von Peter Rosei an niederländischen Universitäten. Franz
Innerhofer wurde nach Berlin, Ernst Jandl und Friederike Mayröcker nach Biel
entsandt. Peter Marginter las in England und Michael Scharang führte eine Lese-
Tournee in die Sowjetunion. Jutta (heute Julian) Schutting präsentierte ihre Wer-
ke in der BRD und Warschau, György Sebestyén in Kopenhagen, Wolfgang Ska-
ra in Washington und Gernot Wolfgruber in Berlin.
An wissenschaftlichen Symposien, die sich „die Begegnung österreichischer
Kulturschaffender und Wissenschaftler mit ihren Kollegen im jeweiligen Gast-
land“ zum Ziel setzten, wurden u. a. abgehalten: „Wechselwirkungen zwischen
der österreichischen und der ungarischen Literatur einst und jetzt“ (Budapest),
„Der zeitgenössische österreichische Roman“ (Istanbul), „Probleme moderner
österreichischer Erzählkunst“ (Kairo), welche die Romane Barbara Frischmuths
behandelte, ein Georg-Trakl-Symposion (Paris), ein Rainer-Maria-Rilke-Sym-
156 Gerhard Melzer: Die ‚Grazer Gruppe‘. In: Viktor Žmegač (Hg.): Geschichte der deutschen Lite-
ratur vom 18.
Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bd. III/2: 1945–1980. 2. Aufl. Weinheim: Athe-
näum 1994, S. 770–789, hier S. 776.
157 Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten (Hg.): Außenpolitischer Bericht des Bun-
desministers für Auswärtige Angelegenheiten 1977. Wien: BMAA 1978, S. 184.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
332 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437