Seite - 336 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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unschuldig war, hatte er sich doch in einem Interview mit dem ORF dahinge-
hend geäußert, dass „‚zweitklassige Musiker‘“ in den österreichischen Kulturin-
stituten im Ausland auftreten würden, woraufhin ihn der Musikkritiker Franz
Endler in der „Presse“ kritisierte. Christian Kleinwächter, Ministerialrat im
Unterrichtsministerium, meinte, es sei falsch, sich als „Literaturfachmann“ „auf
das Gebiet der Musik“ zu wagen und kritisierte die dadurch vorgenommenen
„Graduierungen von Musikern“.170 Kleinwächter riet Kraus, der „jetzt an einer
Schaltstelle der Auslandskulturpolitik sitzt“, sich „künftig zunächst einmal ent-
sprechend zu informieren, bevor er Äußerungen abgibt, die vielleicht […] miß-
verstanden werden könnten.“171
Kraus sorgte auch mit einem eigentlich privat geschriebenen Brief unter den
für Kultur zuständigen Beamten für Aufsehen, da er „seinen Briefpartnern ver-
traulich mitgeteilt“ habe, dass „deren neuer oberster Chef“, Bielkas Nachfolger
Willibald Pahr, für Musik „wenig über“ habe und „eine nach den Vorschlägen der
Kontaktstelle gepflogene Förderung der Literatur im Ausland“172 bevorzuge. Kraus
betonte in seinen Konzepten naturgemäß die Rolle der Literatur und forderte eine
intensive Betreuung von Exilautorinnen und -autoren wie Erich Fried, Manès
Sperber, Elias Canetti und Fritz Hochwälder. Dies wurde von Vertreterinnen und
Vertretern der österreichischen Auslandskulturpolitik auch deshalb als problema-
tisch empfunden, da diese nicht in Österreich leben würden, und ausländische
Partnerinstitutionen der Kulturkontaktstelle gaben „deutlich zu erkennen“, dass
„sie es vorzögen, in Österreich lebende Österreicher“173 zu präsentieren.
Eine weitere Kontroverse entfachte sich anlässlich der geplanten Übersetzung
des autobiografischen Romans Schöne Tage (1974) von Franz Innerhofer ins
US-amerikanische, die jedoch wegen mangelnder Subvention scheiterte. Der
New Yorker Verlag Urizen hatte um einen Druckkostenzuschuss angesucht, nach
sechsmonatiger Wartezeit wurde dieser jedoch von der „Kontaktstelle“ abschlä-
gig beschieden. Kraus argumentierte, für dieses Projekt seien keine Mittel vor-
handen und die Förderungssumme zu hoch bemessen gewesen. Wolfgang Schaff-
ler, Leiter des Residenz-Verlags, musste schließlich die Übersetzung selbst
finanzieren, indem er auf Lizenzhonorare verzichtete: „‚Für die wirklich guten
jungen Leute ist gar kein Geld da. Nur für die, die’s eh nicht mehr nötig haben.‘“174
Die Übersetzung erschien dann 1976 unter dem Titel Beautiful Days in der Über-
setzung von Anselm Hollo bei Urizen Books.
170 Christian Kleinwächter: Österreichs auswärtige Kulturpolitik im Kreuzfeuer. In: Neue Musik-
zeitung, Juni/Juli 1976.
171 Ebd.
172 f.e.: Kulturarbeit im Ausland. Kontaktstelle mag Musik nicht. In: Die Presse, 13. Jänner 1977.
173 Ebd.
174 N. N.: Arabesken des Lebens, S. 55.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
336 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437