Seite - 342 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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Madou Moulaert, schrieb, nachdem Kraus sich konkret über das literarische
Programm informieren wollte, einen „inhaltlosen Brief“ an ihn, der seinen
„sicheren Eindruck“ darüber, dass „in Sachen Literatur weder von unserer Bot-
schaft noch von Frau Moulaert das geringste getan“197 worden war, bestärkte.
Kraus entwarf zügig das Literaturprogramm, das er aus Lesungen von fünf
österreichischen Autorinnen und Autoren an belgischen Universitäten zusam-
mengesetzt wissen wollte, wobei diese den jeweiligen Leitern der germanisti-
schen Institute vorgeschlagen werden sollten. Natürlich sollten die beiden
„berühmtesten lebenden Autoren, Peter Handke und Thomas Bernhard“, mit
Aufführungen ihrer Stücke „präsent gemacht werden“,198 wobei er darauf hin-
wies, dass von Bernhard eine Produktion des Burgtheaters zur Verfügung stehe.
Der geplante Export von Bernhards Der Theatermacher sollte in der Folge jedoch
für Problem sorgen. Kraus wusste auch, dass es eine „leicht transportable Insze-
nierung einer Dramatisierung“199 des Romans Wunschloses Unglück in Form
eines Zweipersonenstücks gab, das im „Dritten Raum des Burgtheaters“ unter
der Regie von Klaus Höring gelaufen war. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass
weder Handke noch Bernhard „für persönliche Auftritte zu haben“ seien. Wei-
ters konzipierte Kraus Symposien, die sich unter dem Thema „Aufbruch in die
Moderne“ mit der klassischen Moderne und ihrer Auswirkung auf die Gegen-
wart befassen sollten sowie eine Konferenz zur „Literaturstadt Wien“, die einen
Überblick vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart geben sollte und in deren
Rahmen der Wandel von einer Musik- zu einer Literaturstadt hervorgehoben
werden sollte.
Kraus schlug eine Literatur-Ausstellung über Franz Kafka vor, die vom Land
Niederösterreich zur Verfügung gestellt werden konnte, sowie eine Ausstellung
über Robert Musil des Landes Kärnten, die beide bereits fertiggestellt waren und
im Zuge der „Europalia“ in Belgien präsentiert werden sollten. Die Kafka-Aus-
stellung wurde von Brüssel aus abgelehnt, weil sie „nicht attraktiv genug“ sei
und in der vorgeschlagenen Form „zu unbedeutend“ sei und deshalb, wie der
Generalsekretär der niederösterreichischen Franz-Kafka-Gesellschaft an Peter
Marginter schrieb, modifiziert werden sollte, um „das Engagement Österreichs
für den wohl bekanntesten deutschsprachigen Schriftsteller der neueren Zeit“200
zu dokumentieren.
Schließlich sollte auch dem Medium Buch eine Ausstellung gewidmet sein.
Es war eine „Österreichische Anthologie“ geplant, die in „möglichst große[r]
Anzahl zu einem billigen Preis an die Kunden der österreichischen Buchhand-
197 Wolfgang Kraus an Wilhelm Schlag, 3. Juli 1986, ÖGL-Archiv.
198 Ders.: Beitrag zum Maßnahmenkatalog, ms. Ts., ÖGL-Archiv.
199 Ebd.
200 Norbert Winkler an Peter Marginter, 10. April 1986, ÖGL-Archiv.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
342 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437