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Die Durchführung und das Gelingen dieser Tagungen verdankte sich näm-
lich zu einem hohen Anteil der Unterstützung von Mitgliedern des „Congress
for Cultural Freedom“ (CCF),58 zu denen Kraus in einem Naheverhältnis stand.
Der 1950 gegründet CCF trat als Gegengewicht zu den prosowjetischen „Frie-
denskongressen“ auf, wandte sich gegen totalitäre Systeme jeder Art und war ein
wirkungsmächtiges kulturpolitisches Instrument der Central Intelligence Agen-
cy (CIA) während des Kalten Krieges. Die Teilnehmer des CCF rekrutierten sich
hauptsächlich aus Renegatinnen und Renegaten, die sich seit dem Hitler-Sta-
lin-Pakt von 1939 vom Kommunismus abgewandt hatten, kommunistischen und
bürgerlichen Antifaschistinnen und Antifaschisten sowie Emigrantinnen und
Emigranten aus den Ländern des realen Sozialismus in Osteuropa. Zwischen
1951 bis zu seinem Rücktritt 1967 war der aus einer Familie baltischer Juden
stammende CIA-Agent Michael Josselson die Zentralfigur des Kongresses. Er
stellte die Organisation und ihre Finanzen auf eine festere Grundlage und
bestimmte die Direktiven. Josselson entwickelte ein Programm, das die europä-
isch-amerikanische Hoch- und Elitenkultur förderte.
Die monetären Zuschüsse des CCF verteilte er über verschiedene US-ameri-
kanische Stiftungen wie z. B. die Ford Foundation, die als Tarnorganisationen
fungierten, um den Fluss der Gelder für Dritte nicht nachvollziehbar zu machen.
Gemeinsam mit dem Generalsekretär des CCF Nicolas Nabokov, einem Cousin
des Schriftstellers Vladimir Nabokov, versuchte er den Einfluss der „harten Anti-
58 Zum „Kongress für kulturelle Freiheit“ vgl. Peter Coleman: The liberal Conspiracy. The Con-
gress for Cultural Freedom and the Struggle for the Mind of Postwar Europe. New York, Lon-
don: Macmillan 1989; Michael Hochgeschwender: Freiheit in der Offensive. Der Kongreß für
kulturelle Freiheit und die Deutschen. München: Oldenburg 1998; Volker Berghahn: Transat-
lantische Kulturkriege. Shepard Stone und die Ford-Stiftung und der europäische Antiameri-
kanismus. München: Franz Steiner Verlag 2004 (= Transatlantische historische Studien 21);
Frances Stonor Saunders: Wer die Zeche zahlt… Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg. Ber-
lin: Siedler 2001; Franziska Meyer: „Auch die Wahrheit bedarf der Propaganda“: Der Kongreß
für kulturelle Freiheit und die Folgen. In: Eine Kulturmetropole wird geteilt. Literarisches Leben
in Berlin (West) 1945 bis 1961. Hg. v. Berliner Kulturrat. Berlin: H. Heenemann GmbH & Co
2000, S. 33–48; Michael Rohrwasser: Vom Exil zum Kongreß für kulturelle Freiheit. Anmer-
kungen zur Faszinationsgeschichte des Stalinismus. In: Sven Hanschuek, Therese Hörnigk,
Christine Malende (Hg.): Schriftsteller als Intellektuelle. Politik und Literatur im Kalten Krieg.
Tübingen: Niemeyer 2000 (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 73), S. 137–
158. Für Österreich gibt es bislang keine Gesamtdarstellung der kulturpolitischen Aktivitäten
des „Kongresses für kulturelle Freiheit“, ausführlich erforscht sind vor allem Friedrich Torbergs
„FORVM“ sowie einige Akteure innerhalb des literarischen Feldes. Vgl. Herbert Tichy: Fried-
rich Torberg. Ein Leben in Widersprüchen. Salzburg: Otto Müller 1995, S. 183–237; Anne-Ma-
rie Corbin: „Das FORVM ist mein Kind“. Friedrich Torberg als Herausgeber einer publizisti-
schen Speerspitze des Kalten Krieges. In: Marcel Atze, Marcus G. Patka (Hg.): Die „Gefahren
der Vielseitigkeit“. Friedrich Torberg 1908-1979. Wien: Holzhausen 2008 (= Wiener Persön-
lichkeiten 6), S. 201–221.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
368 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437