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um dürfte keine großen Summen zur Verfügung gestellt haben, weshalb sich
Kraus immer wieder wegen der Finanzierung an Minden wandte: „[O]ur who-
le project is gravely endangered unless you will kindly lend us your assistance
in finding another sponsor.“102
Minden versprach, sich der finanziellen Probleme anzunehmen: „I hope mon-
ey or the absence there of will not stand in the way of similar projects in the
future“.103 Kraus war daraufhin bemüht, „eine Aktion zu starten, durch die jeder
der bisher von uns mit Büchern beschickte etwa vier Werke erhält, die wir nach
westlichen Gesichtspunkten zusammengestellt haben“, um eine Reihe von „sehr
wichtigen Büchern“ zur Kenntnis „unserer östlichen Freunde“104 zu bringen.
Um den „Anschein eines Propagandafeldzuges“ zu vermeiden, wollte Kraus aber
nicht allen die gleichen Bücher schicken, sondern eine größere „Anzahl von
Titeln variabel zusammenstellen“.105 Um die Gesellschaft im Osten nicht zu „dis-
kreditieren“, musste Kraus bei den Versandaktionen „die österreichischen Auto-
ren als Rückendeckung“ verwenden, denn er war sich darüber im Klaren, dass,
„wenn wir einmal in ein schiefes Licht geraten“106, die Bücher von der Zensur
nicht mehr durchgelassen werden würden. Die Liste an Büchern umfasst, u. a.
Karl Poppers Die offene Gesellschaft, Samuel Becketts Murphy, Thomas Bern-
hards Frost, Eugene Ionescos Argumente und Argumente, Martin Esslins Das
Theater des Absurden, Walter Höllerers Theorie der modernen Lyrik und Stefan
Kisielewskis An dieser Stelle Europas.
Ende der 1980er Jahre sollte Kraus diese Idee sozusagen verstaatlichen und
mit den Österreich-Bibliotheken hinsichtlich der österreichischen Literatur adap-
tieren.
Dass Kraus sich auch publizistisch im Kalten Krieg engagierte, davon zeugen
nicht nur seine Buchbesprechungen der Werke regimekritischer Intellektueller,
sondern auch seine Reiseberichte aus den Ländern des realen Sozialismus. In
seiner Funktion als Kulturjournalist und „Sowjetologe“ schrieb Kraus immer
wieder über die verschärften Repressionen gegen Kulturschaffende, die mit dem
Machtwechsel von Nikita Chruschtschow zu Leonid Breschnew stärker wurden
und sich nach dem Prager Frühling 1968 zu einer „schleichende[n] Restalini-
sierung“107 entwickelten.
102 Hella Bronold an George Minden, 10. September 1965, ÖGL-Archiv.
103 George Minden an Wolfgang Kraus, 21. Dezember 1965, ÖGL-Archiv.
104 Wolfgang Kraus an George Minden, 4. Jänner 1966, ÖGL-Archiv.
105 Ebd.
106 Ders. an George Minden, 3. Jänner 1968, ÖGL-Archiv.
107 Vgl. Lauer (Hg.): Geschichte der russischen Literatur, S. 764 f.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die ÖGL und der „Marshall Plan for the Mind“ 379
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437