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wie ich dazu stehe, das heisst insbesondere zu Ihnen persoenlich. Ich moechte von
Ihnen wissen, ob Sie wuenschen oder umgekehrt ablehnen genant zu werden –
nicht nur in Beziehung zu dieser Episode, sondern wegen Ihrer Taetigkeit als Gene-
ralsekretär, ueber die [ich] viel Gutes zu sagen haette. Natuerlich kann ich das eine
nicht ohne das andere, d.h. ich kann Ihren Namen nicht als Generalsekretaer nen-
nen und dann in der CIA-Affaire alles anonym lassen.124
Der dritte Band von Sperbers Autobiografie, Bis man mir Scherben auf die Augen
legt, erschienen 1977 im Europa-Verlag, blendet jedoch seine knapp zwei Jahr-
zehnte währende Tätigkeit für den CCF, anders als im Brief an Josselson ange-
kündigt, vollkommen aus.
Auch für Kraus und seine Bestrebungen um einen Austausch zwischen Ost
und West war das Ende des CCF eine persönliche Niederlage und bedeutete das
Ende seiner Visionen.
In einem Brief an Kraus konstatierte Sperber, dass die Tätigkeit des CCF nun
„aeusserst herabgemindert“125 sei, und im Zuge der Enthüllung kam es zu hef-
tigen Auseinandersetzungen innerhalb des Kongress-Komitees und der Redak-
tionen der mit dem Kongress assoziierten Zeitschriften. Insbesondere Josselson
geriet ins Kreuzfeuer der Kritik. Sein Nachfolger sollte Shepard Stone werden,
der die Nachfolge-Organisation des CFF, die „International Association for Cul-
tural Freedom“ (IACF) leitete. Stone bemühte sich auch weiterhin darum, den
„Kalten Krieg gegen den Osten mit geistigen und kulturellen Mitteln zu führen
und die machtpolitische und militärische Konfrontation so zu entschärfen, dass
sie nicht in einem Nuklearkrieg enden würde“.126 Unter der neuen Leitung von
Stone verlagerten sich die politischen Kräfte zunehmend, und die Ford Foun-
dation bemühte sich, dem Bedeutungsverlust des Kongresses entgegenzuwirken.
Wie Theodor W. Adorno an Lotte Tobisch im Jänner 1968 berichtete, habe
Shepard Stone, der „bis vor kurzer Zeit der Leiter aller europäischen Aktivitäten
der Ford Foundation“ gewesen sei und „jetzt der Präsident des sogenannten
Kongresses für die Freiheit der Kultur“ und „wohl überhaupt einer der mäch-
tigsten Amerikaner, die aufs europäische Kulturleben Einfluß nehmen“127 sei,
bei ihm angefragt, ob er die Leitung des „Institute of Advanced Studies“ in Wien
übernehmen wolle. Adorno hatte abgelehnt, wollte sich nun aber bei Tobisch
erkundigen, welche Persönlichkeiten in Wien für diese Position in Frage kämen.
124 Manès Sperber an Michael Josselson, 30.
Dezember 1976, Literaturarchiv der Österreichischen
Nationalbibliothek, Nachlass Manès Sperber, ÖLA 2/88, Sign.: 2/B1720/6.
125 Ders. an Wolfgang Kraus, 5. Juli 1968, NL WK.
126 Berghahn: Transatlantische Kulturkriege, S. 256.
127 Theodor W. Adorno, Lotte Tobisch: Der private Briefwechsel. Hg. v. Bernhard Kraller und
Heinz Steinert. Graz, Wien: Droschl 2003, S. 129.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die ÖGL und der „Marshall Plan for the Mind“ 383
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437