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Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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dete. Ich machte Pause und fragte dann: ‚Sie sprechen aus Leningrad?‘ Die Ant- wort: ‚Nein, aus Schwechat, vom Flugplatz. Ich bin hier mit einem Koffer und bleibe im Westen.‘“168 Der spätere Nobelpreisträger Joseph Brodsky, dem bereits in den 1960er Jahren aufgrund seiner metaphysischen Lyrik in Moskau der Pro- zess wegen „Parasitentums“ gemacht worden war, wird auf einer Pressekonfe- renz in den Räumen der ÖGL erstmals dem Westen persönlich vorgestellt.169 Wien als Brücke zwischen Ost und West war hier jedoch nur Zwischenstation, bevor Brodsky über München in die Vereinigten Staaten emigrierte.170 Auch den Leningrader Literaturwissenschaftler Efim Etkind, der beim Pro- zess gegen Brodsky 1964 als Zeuge der Verteidigung ausgesagt hatte, nahm Kraus nach dessen „ungewollte[r] Emigration 1974 am Flughafen Schwechat in Emp- fang“ und beherbergte ihn „ein paar Monate in Wien“.171 Etkind, der am Alexan- der-Herzen-Institut in Leningrad Komparatistik gelehrt hatte, organisierte die Herausgabe der Anthologie Vpervye na russkom jazyke, in der erste Werke von Brodsky erschienen waren, darunter seine Übersetzungen der Lyrik von Gałc- zyński und John Donne.172 Am 25.  April 1974 war Etkind ein „Fall der verhärteten sowjetischen Kultur- politik“ geworden,173 er verlor seine Stellung als Professor sowie seine Mitglied- schaft im Sowjetischen Schriftstellerverband. Etkind wurde „wirklich präzedenz- los behandelt“, so Lew Kopelew im einem Brief an Heinrich Böll: „Nicht mal zu Stalins Zeiten wurden wissenschaftliche Grade und Ränge einem entzogen.“174 Etkind schrieb einen Brief an seine Freunde und Bekannten im Westen und bat, seinen Fall an die Medien weiterzuleiten: By this evening I have suddenly been robbed of everything. I can no longer teach or publish. […] I am faced by the most terrible thing that can happen to a scholar and writer: to be silenced. Silenced – that is, pronounced dead as a citizen. I write this letter while I listen tensely to footsteps on the stairs, and hasten to close it before I am disturbed. After the loss of my work, titles, and publishing possibili- ties, I can expect to be deprived any minute of my physical freedom: that is the only thing I have left.175 168 Wolfgang Kraus: Im Westen mit russischen Augen, ms. Ts. 3 Bl., NL WK. 169 Vgl. Hingst: Brodskij als Gast in der Literaturgesellschaft. In: Arbeiter-Zeitung, 15.  Juni 1972, S. 10. 170 Vgl. Lev Loseff: Joseph Brodsky. A literary Life. New Haven, London: Yale Univ. Press 2011, S. 168  f. 171 Wolfgang Kraus an Alois Mock, 28.  März 1993, NL WK. 172 Laß: Vom Tauwetter zur Perestroika, S. 180. 173 Wolfgang Kasack: Verhärtete sowjetische Kulturpolitik. In: Neue Zürcher Zeitung, 14.  Mai 1974. 174 Zylla (Hg.): Heinrich Böll – Lew Kopelew Briefwechsel, S. 267. 175 Übersetzung eines Briefes von Efim Etkind, versandt von Gerard Kruisman, 25.  April 1974, ÖGL-Archiv. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0 392 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
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Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Titel
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
Autor
Stefan Maurer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23312-1
Abmessungen
15.8 x 24.0 cm
Seiten
452
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
    1. 1.1 Forschungsstand, Quellen und theoretische Ansätze 9
    2. 1.2 Biographische Einführung 22
  2. 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
    1. 2.1 Entwicklung(en) des Literaturbetriebs nach 1945 48
      1. 2.1.1 Politische Rahmenbedingungen: Österreich nach 1945 49
      2. 2.1.2 Institutionen, Kulturveranstaltungen und Vereine 54
      3. 2.1.3 Zeitschriften und Rundfunk 61
      4. 2.1.4 Literaturpreise und staatliche Förderung 70
      5. 2.1.5 Private Initiativen 71
      6. 2.1.6 Verlagssituation und Buchhandel 74
    2. 2.2 Resümee 78
  3. 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
    1. 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
      1. 3.1.1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖGL 87
      2. 3.1.2 Staatliche Subvention 92
      3. 3.1.3 Stellungnahmen zur ÖGL 94
      4. 3.1.4 Aufgaben und Zielsetzungen der ÖGL 96
    2. 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
    3. 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
    4. 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
    5. 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
    6. 3.6 Forum der Jugend 180
    7. 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
    8. 3.8 Resümee 190
  4. 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
    1. 4.1 Kraus als Literaturvermittler 196
      1. 4.1.1 Modernität und Kontinuität 199
      2. 4.1.2 Diskontinuitäten: 1934–1938–1945 210
      3. 4.1.3 Literatur und Katholizismus 216
      4. 4.1.4 Avantgarde und Provinzialismus 223
    2. 4.2 Der Literaturkritiker Kraus 226
    3. 4.3 Der Literatur-Organisator Kraus 245
      1. 4.3.1 Im Europa-Verlag 245
      2. 4.3.2 „Die Rampe“ 254
      3. 4.3.3 Literatur-Preise 259
    4. 4.4 Polemiken und Kämpfe im Feld 280
    5. 4.5 Resümee 294
  5. 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
    1. 5.1 Elemente einer Kraus’schen Kulturpolitik 302
    2. 5.2 Jenseits der Parteipolitik? 307
    3. 5.3 Die Kulturkontaktstelle 323
    4. 5.4 „Europalia 1988“ 338
  6. 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
    1. 6.1 Der kulturelle Kalte Krieg in Europa 355
    2. 6.2 Die Round-Table-Gespräche der ÖGL 367
    3. 6.3 Die ÖGL und der „Marshall Plan for the Mind“ 375
    4. 6.4 Die intellektuellen Dissidenten aus dem Osten 385
  7. 7. RESÜMEE 399
  8. 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
    1. 8.1 Ungedruckte Quellen 403
      1. 8.1.1 Nachlässe 403
      2. 8.1.2 Sammlungen 403
    2. 8.2 Gedruckte Quellen 404
      1. 8.2.1 Zeitungen und Zeitschriften (in Auswahl) 404
      2. 8.2.2 Primärliteratur 404
      3. 8.2.3 Sekundärliteratur 409
  9. 9. PERSONENREGISTER 437
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