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1 Auto/Biographieforschung –
KünstlerInnenforschung
1.1 Auto/Biographieforschung
„[…] überhaupt lese ich in neueren Zeiten gerne Biographien um zu sehen und zu ler-
nen wie andere ‚Köpfe‘ mit diesem fragwürdigen Leben fertig wurden.“ 1
Warum interessieren wir uns für Biographien, für Autobiographien, für Lebensbe-
schreibungen, generell für das Leben (und auch dessen Darstellungsformen) ande-
rer, zumeist bereits verstorbener Menschen? Alfred Kubin, in dessen Bibliothek sich
zahlreiche Biographien befanden,2 tat dies, um sich darüber zu informieren, wie es
denn andere „Köpfe“ geschafft hätten, mit dem Leben fertig zu werden. Das ist sicher
ein wesentlicher Erklärungsansatz für das gesellschaftlich wie wissenschaftlich exis-
tente Interesse an der Biographie: Wie gestalteten Menschen in den verschiedensten
Zeiten, sozialen Räumen, Geschlechtern, politischen und gesellschaftlichen Rah-
menbedingungen ihr Leben, womöglich noch ihr außergewöhnliches, erfolg- und
ruhmreiches Leben? Ist es für ein allgemein interessiertes Lesepublikum schlicht
aufschlussreich, unterhaltend oder – im Kubin’schen Sinne – für das eigene Leben
nutzbringend, diesen Fragen nachzugehen,3 ist es für HistorikerInnen oder Soziolo-
gInnen gleichzeitig Forschungsfeld: Aus dem Leben des Individuums Rückschlüsse
ziehen zu können – auf gesellschaftliche, politische, soziale Rahmenbedingungen,
1 AK an Fritz von Herzmanovsky-Orlando, 23.8.1914, zit. nach Fritz Herzmanovsky-Orlando, Der
Briefwechsel mit Alfred Kubin 1903 bis 1952. Hg. und kommentiert von Christian Klein, Salzburg,
Wien 1983, 79.
2 Im Inventar der erhaltenen Bibliothek Kubins finden sich mehr als 300 Bände Biographien (Inv.-
Nr. 2192–2515), von antiken Klassikern wie Plutarchs „Lebensbeschreibungen“ (Inv.-Nr. 2193) bis
hin zu Memoiren von Zeitgenossen und Weggefährten wie Franz Bleis „Erzählung eines Lebens“
(Inv.-Nr. 2514) oder Harry Graf Kesslers „Gesichter und Zeiten“ (Inv.-Nr. 2434). Vgl. Alfred Marks
(Hg.), Inventar der Bibliothek Alfred Kubin im Kubin-Haus des Landes Oberösterreich in Zwick-
ledt/Wernstein, 3 Bde., Linz o.
J. [1961–1980], online unter http://www.zobodat.at/pdf/Kubin_Ge-
samtverzeichnis_0001.pdf (2.9.2019).
3 Zu den verschiedenen Begründungen für das grundlegende Interesse an biographischen Darstel-
lungen vgl. auch Christian von Zimmermann, Biographische Anthropologie. Menschenbilder in
lebensgeschichtlicher Darstellung (1830–1940), Berlin 2006, 31–39.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463