Seite - 256 - in Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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| 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche
Diskurse256
arbeitete sie zu dieser Zeit an einer „Subway-Symphonie“. Die Briefstelle zeigt die
Verknüpfung ihres Lebensalltags mit dem Motiv:
„Ich habe 10 Tage Ferien, die ich hauptsächlich zum malen benützen will. Ich möchte
meine seit langem geplante ‚Subway-Symphony‘ anfangen: Bilder von der New Yorker
Subway, die ich täglich benütze wie z .B. der rasende ‚Express‘, die Bewegung der vorbei-
flirrenden Lichter, die Massen von Menschen, die eine internationale Ansammlung von
verschiedenen Rassen sind u.s.w.“234
Besonders wichtig war Klien auch immer die Flugbewegung – sei es von natürlichen
Objekten, wie in den „Bird-Flight-Motions“, oder von „Aeroplanen“, wie Klien die
Flugzeuge bezeichnete, vor denen sie sich selbst gefürchtet hatte, die aber dennoch
eine starke Faszination auf sie ausübten.
Ihre wenn auch nicht uneingeschränkte Faszination für Technik und Maschinen
setzte Klien nicht nur in ihren eigenen Werken um, sie gab sie auch in ihrer Arbeit
als Pädagogin weiter. Im Oktober 1935 schrieb sie ihrer Mutter:
„unter den älteren Mädchen fand ich schon einige talentierte und begeisterte Anhänger
– eine der Besten – namens Andrea – sagte gestern: ‚erst jetzt weiß ich – was Kunst ist u.
was ich künstlerisch leisten kann!!!‘ – sie macht jetzt ein abstractes Holzrelief – inspiriert
von einigen Metallröhren bei der Wasserleitung! – nicht sehr poetisch! – so wirst du Dir
denken – Mamale – aber ich persönlich glaube an die eigenartige – constructive Schönheit
des Alltags im Zeitalter der Maschiene [sic]“235
3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger
„Ich wünsche mir nichts besseres, als in diesen alten Mauern
und unter den großen Bäumen hier mein Leben zu beschließen,
und sehne mich nach allem andern eher als nach einem
nochmaligen Kulissenwechsel meiner äußeren Existenz.“ 236
Eine Reaktion auf die zunehmend schneller und lauter werdende Welt der Moderne
war der bewusste Rückzug aufs Land, ein Weg, den nicht wenige KünstlerInnen
234 Slg. Mautner Markhof Wien, Prov. NL Klien, EGK an Walter Klien, New York 15.12.1950 (Kopie).
235 Slg. Pabst, NL Klien, EGK an Anna Klien, New York 16.10.1935.
236 Kubin, Mein Tag in Zwickledt, 88.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463