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1.3 Auto/Biographische Quellen | 65
1.3.1 Autobiographie
„Die interessanten Nolde-Autobiographien kenne ich –
in einem dieser zwei Bände bin ich irgendwie mal erwähnt –“ 99
Die Autobiographie darf gleichsam als auto/biographische Quelle selbst wie als auf
auto/biographischen Quellen basierendes textliches Produkt verstanden werden,
weist also eine Doppelfunktion auf, die auch analytisch berücksichtigt werden muss.
Als auto/biographische Quelle wird sie hier nur der Vollständigkeit halber nochmals
erwähnt, Implikationen hinsichtlich ihres Bedeutungswandels in den Geschichts-
wissenschaften, genderbezogene Fragestellungen sowie spezielle Funktionen in der
Künstlerauto/biographik wurden bereits ausführlich besprochen. Ein Aspekt dabei,
der auch mit dem obigen Kubin-Zitat ausgedrückt werden soll, ist hierbei besonders
die Bedeutung der Autobiographie für die Tradierung und Performanz von Künst-
lerrollen, indem von KünstlerInnen verfasste Autobiographien immer Vorbildfunk-
tion für weitere hatten und haben.
Es sei noch angeführt, dass für die vorliegende Studie sowohl publizierte Autobio-
graphien, die im Falle Alfred Kubins („Aus meinem Leben“) und Oskar Kokoschkas
(„Mein Leben“) in formal „klassischer“ Weise vorliegen, berücksichtigt wurden wie
auch Texte, die ich als autobiographische Darstellungen benennen möchte. Diese
Darstellungen, teils veröffentlicht, teils unveröffentlicht, teils auch in Kulmination
mit anderen biographischen Textsorten auftretend, das heißt beispielsweise in Brie-
fen oder Tagebüchern, wurden danach ausgewählt, dass sie mit dem Idealtypus einer
publizierten Autobiographie den bewusst reflexiven Rückblick auf den bisherigen
Lebensverlauf respektive auf Ausschnitte daraus gemein haben. Diese Erweiterung
erschien mir wichtig, um den bereits besprochenen Problemen der „Auto/Biogra-
phiewürdigkeit“ entgegenzuarbeiten, das heißt den Analysefokus auch auf als weni-
ger berühmt oder bedeutend eingestufte KünstlerInnen, von denen üblicherweise
keine oder nur selten umfassende oder gar publizierte Autobiographien vorliegen,
ausdehnen zu können.
99 AK an Hans Fronius, Zwickledt 30.12.1937, zit. nach Alfred Kubin/Hans Fronius, Eine Künstler-
freundschaft. Briefwechsel. Hg. von Landesgalerie Linz, Weitra, Linz 1999, 158.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463