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2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen
2.5.1 Versuch einer Verweigerung
„Das Bisherige ist für mich nur als Weg zu verstehen,
vor dem Anbeginn.“ 255
Von der Künstlerin Margret Bilger gibt es keine Autobiographie, bislang liegt auch
keine (monographische) Biographie über sie vor. Biographische Beiträge finden sich
in den Ausstellungs- und Werkkatalogen, ein etwas ausführlicherer biographischer
Abriss wurde nach dem Tod Bilgers im Jahrbuch der Innviertler Künstlergilde pub-
liziert.256 Der Autor Melchior Frommel ging darin auf die Schwierigkeit der Erstel-
lung einer solchen biographischen Darstellung ein:
„Durch den Tod der Künstlerin sind wir Nachlebenden aufgerufen, ihr Werk und ihr Le-
ben als vollendetes Ganzes neu zu überschauen. Weil sie das Verborgene liebte, weniger
in die eigene Vergangenheit als ins Kommende blickte und sich um das Aufbewahren
und Zusammenordnen eigener Werke nie viel gekümmert hat, ist das eine schwierige
Aufgabe.“257
Margret Bilger führte dezidiert kein autobiographical life und trotz der permanenten
und intensiven Selbstreflexion, die sie ein Leben lang betrieb, verfasste sie keine Au-
tobiographie. Wie sie mehrfach geäußert hatte, sah sie ihre Hinterlassenschaft viel-
255 Margret Bilger, Lebensbericht (1968), erstveröffentlicht in: Otto Wutzel (Hg.), Margret Bilger.
1904–1971. Ausstellungskatalog Zisterzienserstift Schlierbach, Linz 1975, 25–28. Das Manuskript
in verschiedenen Überarbeitungsversionen befindet sich im Bilger-Archiv in Taufkirchen/Pram.
256 Der Beitrag erschien in zwei Teilen: Melchior Frommel, Margret Bilger – die erste Lebenshälfte
(1904–1939), in: Jahrbuch Innviertler Künstlergilde (1971/72), 71–78 sowie Melchior From-
mel, Margret Bilger – die zweite Lebenshälfte (1939–71), in: Jahrbuch Innviertler Künstlergilde
(1973/74), 112–129.
257 Frommel, Margret Bilger – die erste Lebenshälfte, 71. Die aus Heidelberg stammende Familie
Frommel war eng mit der Familie Bilger befreundet. Melchior Frommel ist der Patensohn der
Künstlerin und war bis zu deren Tod eng mit ihr verbunden. Frommel kann in seiner Funktion als
Biograph damit auch auf seine eigene Beziehung und seine Erinnerungen zurückgreifen. Als Nach-
lassverwalter betreut er einen Großteil der Korrespondenz und auto/biographischen Dokumente,
die sich im Bilger-Archiv in Taufkirchen/Pram befinden. Ich danke Melchior Frommel an dieser
Stelle für die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Dokumente, für die Zurverfügungstellung sei-
ner bislang unveröffentlichten Brieftranskripte und für interessante Gespräche und Hinweise!
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463