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THEORIE UND METHODE 19
Wichtige praxistheoretische Einflüsse stammen aus der Soziologie und Phi-
losophie, beispielsweise aus den Arbeiten von Pierre Bourdieu,23 Michel de Cer-
teau24 oder Theodor R. Schatzki25. Auch in der angloamerikanischen Anthropo-
logie zeichnete sich bereits seit den 1980er-Jahren ein zunehmendes Interesse
an Praktiken als Forschungsgegenstand ab.26 Im deutschsprachigen sozial- und
kulturtheoretischen Diskurs wurden diese Ansätze nach der Jahrtausendwende
beispielsweise durch Andreas Reckwitz,27 Karl H. Hörning28 oder die verschiede-
nen AutorInnen des Sammelbands „Doing Culture“29 verankert. Die Nachfolge-
fächer der Volkskunde bezogen sich bereits früh auf praxistheoretische Ansätze,
entwarfen aber bis auf wenige Ausnahmen (auf die ich später genauer eingehen
werde) kaum eigene praxistheoretische Konzepte.30 So greift das Vielnamenfach
bis heute auf die Theorieangebote benachbarter Disziplinen zurück, in denen
Praxis allerdings sehr unterschiedlich konzeptualisiert wird.31
Ein gemeinsames Anliegen der Mehrzahl praxistheoretischer Ansätze ist die
Überwindung strukturalistischen Denkens. Für Bourdieu beispielsweise waren
die Strukturen sozialer Prozesse keine unveränderbaren Gegebenheiten. Zwar
23 | Vgl. u.a. Pierre Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen
Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt a.M. 1979; Ders.: Sozialer Sinn. Kritik
der theoretischen Vernunft. Frankfurt a.M. 1987.
24 | Vgl. Michel de Certeau: Die Kunst des Handelns. Berlin 1988.
25 | Vgl. u.a. Theodor R. Schatzki: Social Practices. A Wittgensteinian Approach to Hu-
man Activity and the Social. Cambridge 1996; Ders.: Introduction. In: Ders./Karin Knorr
Cetina/Eike von Savigny (Hg.): The Practice Turn in Contemporary Theory. London/New
York 2001, S. 10-23.
26 | Vgl. Sherry B. Ortner: Theory in Anthropology since the Sixties. In: Comparative
Studies in Society and History 26 (1984), H. 1, S. 126-166.
27 | Vgl. u.a. Andreas Reckwitz: Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine
sozialtheoretische Perspektive. In: Zeitschrift für Soziologie 32 (2003), H. 4, S. 282-301;
Ders.: Praktiken und Diskurse. Eine sozialtheoretische und methodologische Relation.
In: Herbert Kalthoff/Stefan Hirschauer/Gesa Lindemann (Hg.): Theoretische Empirie. Zur
Relevanz qualitativer Forschung. Frankfurt a.M. 2008, S. 188-209.
28 | Vgl. Karl H. Hörning: Experten des Alltags. Die Wiederentdeckung des praktischen
Wissens. Weilerswist 2001.
29 | Vgl. Karl H. Hörning/Julia Reuter (Hg.): Doing Culture. Neue Positionen zum Verhält-
nis von Kultur und sozialer Praxis. Bielefeld 2004.
30 | Ein Grund dafür mag auch die bereits 1970 von Hermann Bausinger konstatierte
„Theoriefeindlichkeit der Volkskunde“ sein. Vgl. Ders.: Zur Theoriefeindlichkeit der Volks-
kunde. In: Ethnologia Europea 2/3 (1970), S. 55-58.
31 | In der deutschsprachigen Literatur tauchen als Singular des Praxisbegriffs sowohl
„Praxis“ als auch „Praktik“ und als Plural sowohl „Praktiken“ als auch „Praxen“ auf. Wäh-
rend manche AutorInnen zwischen den verschiedenen Varianten unterscheiden, verwende
ich in dieser Arbeit alle gleichbedeutend.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364