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THEORIE UND METHODE 29
schleunigung“ oder das „Vernichten eines virtuellen Gegners“ auf ihre emotions-
mobilisierenden Funktionen hin zu prüfen sind.
Dabei ergeben sich Parallelen zu Dolf Zillmanns sowohl in Pädagogik als
auch Populärkulturforschung einflussreichem Konzept des mood management,
das eine aktive Regulierung emotionaler Stimmungen, beispielsweise durch den
Einsatz von Unterhaltungsmedien (insbesondere Fernsehen), diskutiert:79 „More
specifically, the theory posits that individuals are capable of choosing materials
for exposure that modify and regulate affective experiences and mood states in
desirable ways, and that these individuals frequently and habitually make choices
that actually serve the specified ends.“80
Auch Vergnügen besteht aus Emotionspraktiken, die Akteure im Sinne eines
mood managament mehr oder weniger gezielt ausüben, um dadurch besondere
Emotionen zu erleben. Diese Emotionen müssen nicht unmittelbar positiv erlebt
werden, wie uns beispielsweise der Erfolg von Horrorfilmen vor Augen führt,
doch sie werden in der Gesamterfahrung stets positiv gedeutet. Im Streben nach
solchen positiv gedeuteten Erlebnissen ist Vergnügen von anderen alltäglichen
Prozessen des doing emotion abzugrenzen. Während auch im nicht-vergnüglichen
Teil des Alltags doing emotion stattfinden kann, ist das Erleben von Emotionen
im Zuge eines Vergnügens stets Selbstzweck. Für die Populärkulturforschung
bedeutet das: Bei der Analyse von Vergnügen sind Emotionen kein optional zu
untersuchendes Beiwerk, sondern sie sind für jedes Vergnügen konstitutiv.
Dahinter verbirgt sich, wie sich aus Gerhard Schulzes Studie zur „Erlebnis-
gesellschaft“ ableiten lässt, auch ein historischer Prozess.81 Bis in die 1960er-
Jahre dominiert in unserer Gesellschaft, so Schulze, ein außen- beziehungsweise
zweckorientiertes Denken, das schließlich einem verstärkt erlebnisorientierten
Denken weicht, in dem auch Gefühlen ein neuer Stellenwert zukommt:
„In der außenorientierten Denkwelt haben Gefühle lediglich die Funktion der Steuerung
objektiver Nutzendefinitionen, ohne zu ihrem Bestandteil zu werden: dagegen gehen sie
in der erlebnisorientierten Denkwelt in die Nutzendefinition selbst ein. Der klassische
Konsument lebt nach der Philosophie des Habens, der neue Konsument nach der Philo-
sophie des Seins.“82
79 | Vgl. u.a. Dolf Zillmann: Mood Management through Communication Choices. In:
American Behavioral Scientist 31 (1988), H. 3, S. 327-341; Ders.: Mood Management.
Using Entertainment to Full Advantage. In: Lewis Donohew/Howard E. Sypher/E. Tory
Higgins (Hg.): Communication, Social Cognition and Affect. Hillsdale 1988, S. 147-171.
80 | Ebd., S. 147.
81 | Vgl. Gerhard Schulze: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart.
Frankfurt a.M. zweite Aufl. 2005.
82 | Gerhard Schulze: Steigerungslogik und Erlebnisgesellschaft. In: Peter Massing (Hg.):
Gesellschaft neu verstehen. Aktuelle Gesellschaftstheorien und Zeitdiagnosen. Schwal-
bach 1997, S. 77-94, hier: S. 84; vgl. dazu auch: Ute Volkmann: Das Projekt des schönen
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364