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Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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THEORIE UND METHODE 57 möglichkeiten eingeschränkt und die Simulation wird in einen Anfangszustand zurückversetzt. Diese Programmstrukturen und Interaktionsmöglichkeiten sind dabei mit bestimmten Repräsentationen verknüpft, die eine potenzielle Ähnlich- keitsbeziehung zu physischen Entitäten herstellen. So soll ich als Spieler den Bild- ausschnitt als die Perspektive eines von mir gesteuerten „Körpers“ deuten, der in einem von bestimmten physikalischen Gesetzen geprägten „Raum“ existiert, sich dort „bewegt“ und auf andere Körper „schießt“ oder selbst „stirbt“. Die Analyse der Spielprozesse zeigt nun, dass sich die Spieler auf einer ba- salen Ebene auf diese Ähnlichkeiten einlassen und im Sinne des Spiels bedeu- tungsvoll handeln. Sie bewegen sich gekonnt und gezielt, anstatt wild im Kreis zu laufen, positionieren sich strategisch im Raum und sind stets bemüht, Gegner zu erschießen, bevor sie selbst erschossen werden. Auch sprachlich spiegelt sich die Akzeptanz und bedeutungsvolle Umsetzung der virtuellen Angebote wider. Wenn Spieler während des Spielens im Internet über Sprachkanäle miteinander kommunizieren, sprechen sie von ihrer virtuellen Verkörperung im Regelfall als „ich“ und benennen beispielsweise die Bewegung eines Angriffs nach vorn mit Sätzen wie: „Ich geh rein!“ Sie lassen sich also auf die Ähnlichkeiten zwischen virtuellen Räumen, Körpern, Bewegungen und ihren jeweiligen physischen Entsprechungen ein und machen sie so erst bedeutungsvoll beziehungsweise wirksam. Zugleich verläuft diese Umsetzung aber nicht linear. Von vielen Counter- Strike-Spielern wird dieses auf einem Antiterror-Szenario aufbauende Spiel als ein „Electronic Sport“ praktiziert, der mit Mannschaften, Trainingszeiten, struk- turierten Wettkämpfen sowie Idealen von Fairness und Teamgeist vielmehr der Bundesliga als einem Krieg ähnelt. Wird ein Gegner getötet, lobt man Teammit- glieder mit einem sportlichen „nice!“, „schön!“ oder „sauber!“. (FT) Diese spezifischen Umgangsweisen mit den Ähnlichkeiten zwischen compu- tervermittelten Repräsentationen und physischen Entsprechungen zu berücksich- tigen, ist entscheidend, wenn man (mit aller gebotenen Vorsicht) den problembe- hafteten Begriff der „virtuellen Gewalt“ analytisch verwenden möchte. Virtuelle Gewalt meint dann ein bedeutungsvolles Tun, das die Ähnlichkeiten zwischen physischer Gewalt und ihren computervermittelten Repräsentationen wirksam macht. Dieser Prozess ist aber nicht zwangsläufig geradlinig. Aus einem virtuel- len Kampf kann in der Praxis ein Sport werden, aus einem virtuellen Kopfschuss ein Akt der Neckerei, aus einem virtuellen Amoklauf ein gewollter Witz. Das heißt nicht, dass virtuelle Gewalt immer völlig von physischer Gewalt entfremdet ist (wie es interviewte Spieler teils zu Rechtfertigungszwecken behaupten). Die Regel ist vielmehr, dass die Ähnlichkeit zwischen entsprechenden Repräsenta- tionen und physischer Gewalt weder ganz bedeutungslos ist noch ganz für voll genommen wird. Virtuelle Gewalt changiert stets zwischen diesen Polen, und genau daraus erwächst ihr besonderes Potenzial innerhalb eines Spielprozesses.
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Gewalt im Computerspiel Facetten eines Vergnügens
Title
Gewalt im Computerspiel
Subtitle
Facetten eines Vergnügens
Author
Christoph Bareither
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3559-5
Size
14.8 x 22.5 cm
Pages
370
Keywords
Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
Category
Medien

Table of contents

  1. 1. Einleitung 7
  2. 2. Theorie und Methode 15
    1. 2.1 Vergnügen 15
      1. 2.1.1 Pleasure 16
      2. 2.1.2 Praktiken 18
      3. 2.1.3 Doing Emotion 24
      4. 2.1.4 Emotionale Erfahrungen 33
    2. 2.2 Ludisch-virtuelle Gewalt 39
      1. 2.2.1 Zum Problem individueller Wahrnehmung 40
      2. 2.2.2 Physische Gewalt 47
      3. 2.2.3 Virtuelle Gewalt 51
      4. 2.2.4 Ludische Gewalt 58
    3. 2.3 Forschungsdesign 63
      1. 2.3.1 Eingrenzungen 64
      2. 2.3.2 Teilnehmende Beobachtung online und offline 65
      3. 2.3.3 Qualitative leitfadengestützte Interviews 75
      4. 2.3.4 Let’s Play-Videoanalyse 77
      5. 2.3.5 Analyse von Computerspielzeitschriften 83
      6. 2.3.6 Softwaregestützte Analyse ethnografischer Daten 85
      7. 2.3.7 Abgrenzungen 89
  3. 3. Virtuell-körperlich 93
    1. 3.1 Angriff 93
      1. 3.1.1 Effektstaunen 94
      2. 3.1.2 Einschlagslust 101
      3. 3.1.3 Avatare als Medien virtuell-körperlicher Erfahrung 108
      4. 3.1.4 Gekonntheit und Eleganz 115
      5. 3.1.5 Dominanz 126
      6. 3.1.6 ‚Männliche‘ Erfahrungen 137
    2. 3.2 Widerfahrnis 147
      1. 3.2.1 Stress, Spannung und Schreck 147
      2. 3.2.2 Affizierung 157
      3. 3.2.3 Schmerz und Tod 167
    3. 3.3 Aufrüstung 174
      1. 3.3.1 Waffe, Rüstung, Kampfmaschine 174
      2. 3.3.2 Looten und Leveln 190
  4. 4. Kompetitiv und kooperativ 199
    1. 4.1 Besser sein 199
      1. 4.1.1 Highscore 200
      2. 4.1.2 Player versus Player 205
    2. 4.2 Zusammenhalten 222
      1. 4.2.1 Gemeinsam kämpfen 224
      2. 4.2.2 Emotional Communities 235
  5. 5. Dramatisch und deviant 247
    1. 5.1 Einfühlen 247
      1. 5.1.1 Sich-Einlassen und Sich-Distanzieren 248
      2. 5.1.2 Traurigkeit und Wut 253
      3. 5.1.3 Gerechte Gewalt 261
    2. 5.2 Feinde machen 266
      1. 5.2.1 Abneigung und Hass 266
      2. 5.2.2 Dynamik der Rache 272
    3. 5.3 Überschreiten 279
      1. 5.3.1 Humorvolle Inkongruenzen 281
      2. 5.3.2 Ärgern und Trollen 293
  6. 6. Ambivalent 297
    1. 6.1 Ablehnen, rechtfertigen, genießen 297
      1. 6.1.1 Von der Ablehnung zur Akzeptanz 297
      2. 6.1.2 Positive Deutungen 301
    2. 6.2 Sich schlecht fühlen 304
      1. 6.2.1 Schockierung, Mitleid und kritische Reflexion 306
      2. 6.2.2 Schuld 313
  7. 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
  8. Literatur und Anhang 333
  9. Literatur 333
  10. Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
  11. Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
  12. Verzeichnis der geführten Interviews 364
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