Page - 73 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
Image of the Page - 73 -
Text of the Page - 73 -
THEORIE UND METHODE 71
griff DayZ zusammenfasse, fand meine teilnehmende Beobachtung statt. Später
wurde die sogenannte Standalone-Version von DayZ veröffentlicht, die sich zum
Abschluss der Studie noch immer in der Entwicklungsphase befand. Obwohl
das Spiel eine Modifikation von HobbyprogrammiererInnen war, avancierte es
schnell zu einem der populärsten PC-Spiele der letzten Jahre, denen eine ganze
Reihe Nachahmungen von größeren Firmen folgte. Allein die ursprüngliche Mod
wurde laut Herstellerseite von über 1,7 Millionen Spielern gespielt.218 Die schon in
der Entwicklungsphase kommerziell vermarktete Standalone-Version wurde bis
Januar 2015 über drei Millionen Mal verkauft.219 Ich wählte dieses Spiel für den
ersten explorativen Teil der teilnehmenden Beobachtung vor allem deshalb aus,
weil es eine Art Genremix bildet: Es ist aus der First- und Third-Person-Perspek-
tive spielbar, ist teils Rollenspiel, teils Horrospiel, teils Action-Shooter, und vor al-
lem bietet es einen außergewöhnlich großen Freiraum für soziale Interaktionen.
Als Spieler in DayZ bewegt man sich mit dem eigenen Avatar durch eine
in der Standardversion umgerechnet ca. 225 Quadratkilometer große russische
Landschaft, die Dörfer, Industriestädte und weite Wälder umfasst. Man muss
Nahrungsmittel, Waffen und sonstige Ausrüstung finden, um täglich überleben
und gegen die überall herumirrenden Zombies bestehen zu können. Während
alle Zombies computergesteuert sind und die Spieler automatisch attackieren,
sind alle menschlichen Avatare auch von menschlichen Spielern gesteuert. Eine
Besonderheit des Spiels ist das sogenannte Perma-Death-Prinzip: Jeder Avatar
hat nur ein einziges Leben. Stirbt der Avatar, muss der Spieler ganz von vorn
beginnen.
So durchstreifen Spieler die karge Landschaft, ohne dass es einen Hand-
lungsfaden gibt. Ihr einziges Ziel: Überleben. Die spannungsreichen Momente
des Spiels sind weniger die Begegnungen mit Zombies, denen man nach kurzer
Lernzeit leicht ausweichen kann, als die Konfrontation mit anderen Spielern. Je-
des DayZ-Spiel läuft auf einem sogenannten Server, auf dem je nach Einstellung
bis zu mehrere Dutzend menschliche Spieler zugleich anwesend sein können. In
Anbetracht der Größe des Areals sind Begegnungen mit Spielern aber dennoch
verhältnismäßig selten. Es können Stunden vergehen, ohne dass man einer Men-
schenseele begegnet. Passiert es doch, hat man prinzipiell zwei Möglichkeiten:
Man ist freundlich zueinander und schließt sich eventuell zusammen, um eine
Gruppe zu bilden und gemeinsam gegen die Zombies zu kämpfen, oder man
tötet andere Spieler und beraubt sie ihrer mühsam gesammelten Gegenstände.
Das eine schließt das andere nicht immer aus. Langfristig bilden sich auf vielen
Servern Spielergruppen heraus, die loyal zueinander sind und gemeinsam einzel-
ne fremde Spieler oder andere Spielergruppen bekämpfen und ausrauben. Aus
der prinzipiellen Entscheidungsfreiheit und dem Genremix ergeben sich sehr
218 | Vgl. http://dayzmod.com/?lang=de
219 | Vgl. http://www.pcgameshardware.de/Day-Z-Spiel-20972/News/3-Millionen-Mal
-verkauft-DX11-Anti-Cheating-Mods-1148877/
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364