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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL94
Im deutschsprachigen Raum gehört Andersens Text zu den ersten Versuchen,
das Vergnügen an Computerspielgewalt zu beschreiben. Dem simplen Aufbau
der damaligen Spiele entsprechend, steht in seinem Text eine ganz grundlegende
Dimension dieses Vergnügens im Vordergrund: der Spaß am aktiven Umgang
mit computervermittelten Repräsentationen von Gewalt im Zuge eines Angriffs
auf computervermittelte Gegner.
Das folgende Kapitel widmet sich den dabei gemachten Erfahrungen, in de-
nen die virtuell-körperliche Dimension des Erlebens zentral ist. Zur Theorie einer
virtuellen Körperlichkeit folgt später ein eigenes Kapitel. Zuerst möchte ich direkt
ins Material einsteigen, mit einer historischen Annäherung an das Vergnügen
an computersimulierten audiovisuellen Effekten, die durch Spielereinwirkung
ausgelöst werden und sich zu einer als angenehm gedeuteten emotionalen Erfah-
rung verdichten.
3.1.1 Effektstaunen
Die Diskussion von Grafik- und Soundeffekten nimmt seit 1983 in Computerspiel-
tests stets viel Raum ein. Sie fällt vor allem dort positiv aus, wo Detailreichtum,
Flüssigkeit und Design der audiovisuellen Repräsentationen Neues und Spekta-
kuläres bieten. Die Entwicklungsgeschichte des Genres der Actionspiele ist dem-
entsprechend eine Geschichte der permanenten gegenseitigen Überbietung in
puncto audiovisuelle Superlative. In frühen Testberichten werden Actionspiele
teils ausschließlich aufgrund dieser Eigenschaften positiv bewertet. So stellt der
Journalist Heinrich Lenhardt 1986 fest, dass das „gepflegte Ballerspiel“ Starstrike
II zwar weder ein originelles Spielprinzip noch eine erwähnenswerte Story habe,
doch die Animationen überzeugen ihn: „Ohne die scharfe Grafik wäre Starstrike
II ein hässliches Software-Entlein. Aber die tolle Animation sorgt wohl bei allen
Action-Fans für einen erhöhten Adrenalin-Ausstoß.“3
Solche Hinweise auf die Intensivierung emotionaler Erfahrungen und die Af-
fizierung der Körper der Spieler durch gelungene audiovisuelle Darstellungen
sind keine Seltenheit. Allerdings geht es hier erst einmal nicht um Repräsentati-
onen physischer Gewalt. Die Journalisten dieser Zeit (tatsächlich alle männlich)
sind stets bemüht, Vorurteilen gegenüber der Freude an Computerspielgewalt aus
dem Weg zu gehen (vgl. auch Kap. 6.1.1). Doch da insbesondere der Genuss guter
Grafik ein völlig legitimes Vergnügen ist (was sich sicherlich auch aus der gesell-
schaftlichen Akzeptanz von Technikbegeisterung und Kunstgenuss ergibt), kann
über diesen Umweg zumindest hin und wieder auch der Spaß an der Zerstörung
artikuliert werden. Insbesondere Lenhardt findet immer wieder blumige Worte.
Im Testbericht zum 2D-Shooter Trantor – The last Stormtrooper von 1988 scheint
er beispielsweise ein poetisch-malerisches Kunstwerk zu bestaunen: „Trantor ist
3 | Heinrich Lenhardt: Starstrike II. In: Happy Computer Spielesonderheft 2 (1986),
S. 8. http://www.kultpower.de/archiv/heft_happycomputer_spielesonderheft-2_seite8
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364