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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL112
der Wahrnehmung, sondern sie setzen menschliche Akteure zugleich in einen
veränderten Tätigkeitszusammenhang zu ihrer Umwelt.
Gerade durch die gleichzeitige Erweiterung von „perceptual“ und „motor
skills“ schafft Technik veränderte Möglichkeiten für emotionale Erfahrungen.
Das als angenehm empfundene Autofahren, Snowboarden, Drachensteigen, Pa-
ragliding, 3D-Kino oder eben Computerspielen sind Beispiele für Vergnügungstä-
tigkeiten, die auf embodiment relations mit technischen Artefakten basieren. Com-
puterspiele – vor allem die in dieser Arbeit behandelten 3D-Actionspiele – bieten
dabei besonders komplexe Konstellationen. Denn hier wird nicht nur eine embo-
diment relation aufgebaut, bei der ein menschlicher Akteur durch ein technisches
Artefakt in einen veränderten Wahrnehmungs- und Tätigkeitszusammenhang
zu seiner Umwelt gesetzt wird. Stattdessen wird innerhalb des technischen Arte-
fakts (des Computers) ein virtueller Körper simuliert, mit dem ein menschlicher
Akteur eine embodiment relation eingehen kann, um durch ihn einen Wahrneh-
mungs- und Tätigkeitszusammenhang zu einer virtuellen Umwelt aufbauen zu
können.
Diese virtuellen Körper werden unter anderem Avatare genannt. Der Begriff
stammt aus dem Sanskrit, wo er vereinfacht gesprochen den Abstieg einer Gott-
heit auf die Erde bezeichnet.72 Die Spieler selbst sprechen allerdings selten von
Avataren. Zwar ist der Begriff geläufig, doch er entstammt weniger dem Feld als
vielmehr dem wissenschaftlichen und mitunter auch journalistischen Diskurs.
Ich verwende ihn dementsprechend nicht als feldspezifischen, sondern als ana-
lytischen Begriff.
Avatare als virtuelle Körper zu bezeichnen folgt der in Kap. 2.2.3 vorgeschlage-
nen Konzeptualisierung des Virtualitätsbegriffs. Als virtuell wird der Avatarkör-
per nicht nur bezeichnet, weil er computervermittelt ist, sondern weil seine viel-
fältigen Funktionen primär auf Ähnlichkeitsbeziehungen zu physischen Körpern
und deren Eigenschaften aufbauen. Auch virtuelle Körper sind keine gegebenen
Objekte, sondern konstituieren sich erst, indem sich Spieler auf das Deutungs-
angebot, dass es sich bei dieser Repräsentation um einen Körper handelt, einlas-
sen und ihn entsprechend nutzen, ihn bewegen, mit ihm laufen, springen, sich
ducken, kriechen, sich umsehen, sich anderen computervermittelten Körpern
nähern oder durch ihn andere Körper töten. Das heißt, jenseits der Spielpraxis
sind virtuelle Körper nicht als solche existent. Die Praxis konstituiert aber nicht
nur den Avatarkörper, sondern zugleich wird der Avatar zum Medium dieser Pra-
xis. Im Hinblick auf ethnografische Ansätze hat Gertraud Koch bereits 2009 die
Funktionen dieser Verkörperungen diskutiert:73
72 | Vgl. u.a. Benjamin Jörissen: The Body is the Message. Avatare als visuelle Artikula-
tionen, soziale Aktanten und hybride Akteure. In: Paragrama 17 (2008), H. 1, S. 277-295.
73 | Vgl. Gertraud Koch: Second Life – ein zweites Leben? Alltag und Alltägliches einer
virtuellen Welt. In: Zeitschrift für Volkskunde 105 (2009), S. 215-232; vgl. auch Gertraud
Koch/Nina Ritzi-Messner: (In-) Transparenz telematischer Kommunikationsinfrastruktu-
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364