Page - 136 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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							GEWALT IM
COMPUTERSPIEL134
Der Ärger der Anderen
Bisher standen die Erfahrungen des quasi-sozialen Umgangs mit computerge-
steuerten Gegnern in Singleplayer-Games im Vordergrund. In Bezug auf die
Erfahrung von Dominanz sind sie von denen in Multiplayer-Games zu unter-
scheiden, insofern das Verhältnis zu den Gegnern in letzteren nicht mehr nur
quasi-sozial ist. Akteure in Multiplayer-Games wissen, dass sich hinter den geg-
nerischen Avataren menschliche Spieler verbergen, und auch wenn sie sich dieses
Wissen nicht permanent vor Augen halten, ist es als praktisches Wissen jeder-
zeit wirksam. Der bekannteste deutsche Let’s Player Gronkh, der normalerweise
Singleplayer-Games spielt, bringt diesen Umstand in einer seiner ersten Runden
im Multiplayer-Game GTA Online auf den Punkt: „Ist irgendwie schon geil, gegen
andere Spieler, muss ich sagen. Das macht nochmal nen ganz anderen Kick.“151
Diesen Unterschied halten auch alle im Interview danach gefragten Spieler
für signifikant. Einerseits hat er eine kompetitive Dimension, auf die ich später
genauer eingehen werde (vgl. Kap. 4.1.2). Er prägt aber zugleich die virtuell-kör-
perliche Erfahrung der Dominanz in der Ausübung von Computerspielgewalt.
Denn in Multiplayer-Games ist die Erfahrung von Dominanz erweitert durch
das Wissen um die emotionale Involviertheit der menschlichen Gegenüber. Der
32-Jährige Spieler Petator kommentiert:
„Was für mich total den Reiz [an Multiplayer-Shootern, C.B.] ausmacht, ist, dass da ir-
gendjemand X Kilometer von mir entfernt sitzt, genauso wie ich vor dem Rechner mit
Headset und so, und sich darüber ärgert, dass er langsamer war als ich. Das macht mir
total Spaß an Online-Spielen. Das hat mir auch schon vor 10 Jahren bei Counter-Strike
Spaß gemacht, als ich angefangen hab, weil ich wusste: ‚Haha, du ärgerst dich jetzt,
haha!‘“ (IV18)
Ob der virtuelle Körper des Gegenübers nun effektvoll zerfetzt werde oder nicht,
sei ihm gleichgültig, fügt er an. Im Vordergrund stehe die Freude am Ärger des
Anderen. Die Erfahrung von Dominanz ist hier nicht mehr nur quasi-sozial wie
in Singleplayer-Games, sondern tatsächlich sozial, insofern sie auf einer zwar
meist anonymen, aber trotzdem zwischenmenschlichen Beziehung aufbaut.
Das verdeutlicht auch der 32-Jährige Limaneel, der in seiner Anfangszeit im
MMORPG World of Warcraft öfter von sogenannten Schurken getötet wurde, also
von menschlichen Spielern, die sich einen Schurken-Avatar mit speziellen Tarn-
fähigkeiten erstellen, um andere menschliche Spieler überraschen und meucheln
zu können. Das habe ihn „wahnsinnig gemacht“, kommentiert er im Interview
– allerdings müsse er auch gestehen, er habe dann für eine Weile erst einmal ge-
151 | Gronkh: GTA ONLINE [HD+] #003 - First Blood * Let’s Play GTA Online (3.10.2013),
16:20-16:35. http://youtu.be/bb3zukY4cRs?t=16m20s [Aufgrund von rechtlichen Be-
schränkungen funktioniert der Video-Link für die Vollbild-Wiedergabe nicht, daher hier
ein alternativer Link.]
					
				
						Gewalt im Computerspiel
							Facetten eines Vergnügens
								
				- Title
 - Gewalt im Computerspiel
 - Subtitle
 - Facetten eines Vergnügens
 - Author
 - Christoph Bareither
 - Date
 - 2016
 - Language
 - German
 - License
 - CC BY-NC-ND 4.0
 - ISBN
 - 978-3-8394-3559-5
 - Size
 - 14.8 x 22.5 cm
 - Pages
 - 370
 - Keywords
 - Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
 - Category
 - Medien
 
Table of contents
- 1. Einleitung 7
 - 2. Theorie und Methode 15
 - 3. Virtuell-körperlich 93
 - 4. Kompetitiv und kooperativ 199
 - 5. Dramatisch und deviant 247
 - 6. Ambivalent 297
 - 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
 - Literatur und Anhang 333
 - Literatur 333
 - Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
 - Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
 - Verzeichnis der geführten Interviews 364