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Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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GEWALT IM COMPUTERSPIEL170 physisch empfunden, wohl aber in die virtuell-körperliche Erfahrung einer aku- ten Bedrohung integriert. Mit anderen Worten: Der virtuell-körperliche Schmerz verdichtet die Erfahrung von Stress im Prozess des Widerfahrens von Computer- spielgewalt. Das gilt genauso für kampfbetonte Actionspiele und Shooter: Wenn Let’s Player bemerken, dass ihnen die Kugeln nicht nur um die Ohren fliegen, sondern auch in ihren virtuellen Körper einschlagen und ihre Lebensenergie sinkt, dann steigern sich meist auch die Artikulationen von Stress. Dem zugrunde liegt das oben beschriebene Prinzip der Lebensenergie, die in Spielen wie Outlast zwar nicht in Form eines Energiebalkens sichtbar ist, doch die innerhalb der Programmstruktur über den Zeitpunkt des Todes des Avatars bestimmt. Spieler verfügen durch ihre Spielerfahrung über ein praktisches Wis- sen um diese Lebensenergie. Sie wissen, dass sie nur eine bestimmte Anzahl an Treffern aushalten, bevor sie virtuell sterben werden. Damit wirkt jeder Treffer als eine Verdichtung der Bedrohungssituation, in der sich der Avatar befindet. Schmerz im Computerspiel ist keine physische Reaktion, sondern eine durch das inkorporierte Wissen um die Sterblichkeit des eigenen Avatars aufbauende emo- tionale Erfahrung. Auf diese Erfahrung lässt sich Gronkh erst ein, distanziert sich dann aber wieder mit einem Witz, nur um den virtuell-körperlichen Schmerz im nächsten Moment erneut zu empfinden, und so weiter. Dieses spielerische Schwanken zwi- schen Sich-Einlassen und Sich-Distanzieren basiert auf der Spezifik der virtuel- len Sterblichkeit des Avatars: Der kann zwar sterben, doch in Games ist der Tod (meist) nicht von Dauer. Respawn Dazu ein kurzer Blick auf die computerspielgeschichtliche Entwicklung des vir- tuellen Sterbens: Frühe Actionspiele der 1970er- und 1980er-Jahre stellten meist eine abstrakt repräsentierte Avatarfigur zur Verfügung, die nach einem einzigen Treffer vernichtet war. Der Computerspieleforscher Jason Tocci verweist darauf, dass sich dahinter auch ein ökomisches Interesse der Münz-Videoautomatenher- stellerInnen verbarg, für die das Ende des virtuellen Lebens den richtigen Zeit- punkt zur Aufforderung einer neuen Bezahlung darstellte.237 Spätestens als sich Anfang der 1980er-Jahre Heim-Videokonsolen verbreiteten, erhielten Avatare nicht mehr nur ein, sondern mehrere Leben, was den Spielern die Möglichkeit gab, bereits erreichte Levelabschnitte mehrfach zu wiederholen, bevor schluss- endlich der Schriftzug „Game Over“ über den Bildschirm flimmerte. Eine wei- tere entscheidende Entwicklung waren die sich in den 1990er-Jahren durchset- zenden Speicherfunktionen, die es den Spielern erlaubten, nach dem Tod ihres Avatars an einem festgelegten Speicherpunkt oder auch an völlig beliebig setzba- 237 | Vgl. Jason Tocci: „You Are Dead. Continue?“ Conflicts and Complements in Game Rules and Fiction. In: Eludamos. Journal for Computer Game Culture 2 (2008), H. 2, S. 187-201, hier: S. 192.
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Gewalt im Computerspiel Facetten eines Vergnügens
Title
Gewalt im Computerspiel
Subtitle
Facetten eines Vergnügens
Author
Christoph Bareither
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3559-5
Size
14.8 x 22.5 cm
Pages
370
Keywords
Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
Category
Medien

Table of contents

  1. 1. Einleitung 7
  2. 2. Theorie und Methode 15
    1. 2.1 Vergnügen 15
      1. 2.1.1 Pleasure 16
      2. 2.1.2 Praktiken 18
      3. 2.1.3 Doing Emotion 24
      4. 2.1.4 Emotionale Erfahrungen 33
    2. 2.2 Ludisch-virtuelle Gewalt 39
      1. 2.2.1 Zum Problem individueller Wahrnehmung 40
      2. 2.2.2 Physische Gewalt 47
      3. 2.2.3 Virtuelle Gewalt 51
      4. 2.2.4 Ludische Gewalt 58
    3. 2.3 Forschungsdesign 63
      1. 2.3.1 Eingrenzungen 64
      2. 2.3.2 Teilnehmende Beobachtung online und offline 65
      3. 2.3.3 Qualitative leitfadengestützte Interviews 75
      4. 2.3.4 Let’s Play-Videoanalyse 77
      5. 2.3.5 Analyse von Computerspielzeitschriften 83
      6. 2.3.6 Softwaregestützte Analyse ethnografischer Daten 85
      7. 2.3.7 Abgrenzungen 89
  3. 3. Virtuell-körperlich 93
    1. 3.1 Angriff 93
      1. 3.1.1 Effektstaunen 94
      2. 3.1.2 Einschlagslust 101
      3. 3.1.3 Avatare als Medien virtuell-körperlicher Erfahrung 108
      4. 3.1.4 Gekonntheit und Eleganz 115
      5. 3.1.5 Dominanz 126
      6. 3.1.6 ‚Männliche‘ Erfahrungen 137
    2. 3.2 Widerfahrnis 147
      1. 3.2.1 Stress, Spannung und Schreck 147
      2. 3.2.2 Affizierung 157
      3. 3.2.3 Schmerz und Tod 167
    3. 3.3 Aufrüstung 174
      1. 3.3.1 Waffe, Rüstung, Kampfmaschine 174
      2. 3.3.2 Looten und Leveln 190
  4. 4. Kompetitiv und kooperativ 199
    1. 4.1 Besser sein 199
      1. 4.1.1 Highscore 200
      2. 4.1.2 Player versus Player 205
    2. 4.2 Zusammenhalten 222
      1. 4.2.1 Gemeinsam kämpfen 224
      2. 4.2.2 Emotional Communities 235
  5. 5. Dramatisch und deviant 247
    1. 5.1 Einfühlen 247
      1. 5.1.1 Sich-Einlassen und Sich-Distanzieren 248
      2. 5.1.2 Traurigkeit und Wut 253
      3. 5.1.3 Gerechte Gewalt 261
    2. 5.2 Feinde machen 266
      1. 5.2.1 Abneigung und Hass 266
      2. 5.2.2 Dynamik der Rache 272
    3. 5.3 Überschreiten 279
      1. 5.3.1 Humorvolle Inkongruenzen 281
      2. 5.3.2 Ärgern und Trollen 293
  6. 6. Ambivalent 297
    1. 6.1 Ablehnen, rechtfertigen, genießen 297
      1. 6.1.1 Von der Ablehnung zur Akzeptanz 297
      2. 6.1.2 Positive Deutungen 301
    2. 6.2 Sich schlecht fühlen 304
      1. 6.2.1 Schockierung, Mitleid und kritische Reflexion 306
      2. 6.2.2 Schuld 313
  7. 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
  8. Literatur und Anhang 333
  9. Literatur 333
  10. Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
  11. Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
  12. Verzeichnis der geführten Interviews 364
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