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VIRTUELL-KÖRPERLICH 195
diesem Ereignis erfahren. Steigt beispielsweise ein Avatar in TESO eine Stufe
auf, ertönt automatisch ein allen Spielern bekanntes auditives Signal und den
betroffenen Avatar umhüllt eine visuelle Animation, so dass alle Mitspieler im
Umfeld auf dessen Erfolg aufmerksam gemacht werden. Sind die eigenen Grup-
penmitglieder gerade nicht in der Nähe des eigenen Avatars, verkündet man den
eigenen Erfolg kurzerhand im Sprachkanal durch den Ausruf: „Level-up!“ (FT)
Gute Waffenfunde werden ebenfalls im Sprachkanal mitgeteilt, oder indem die
Spieler via Kurztastenbefehle den Namen gefundener Waffen in den Text-Chat ih-
rer Spielergruppe (der parallel zum Sprachkanal läuft) eingeben und so für ande-
re sichtbar machen. Als Reaktion auf einen Stufenanstieg oder gutes Loot folgen
meist mehrere Beglückwünschungen der anderen Gruppenmitglieder. Spieler
schreiben dazu im Chat die Buchstaben „GZ!“ (für „Gratulations!“ bzw. die um-
gangssprachliche Kurzform „Gratz!“) oder sie sprechen die Buchstaben „GZ!“ im
Sprachkanal (oft mit hörbarer Emphase) aus.273 So wird der Wert eines virtuellen
Gegenstands beziehungsweise der Wert eines erstarkten virtuellen Körpers und
damit die an diese Elemente gebundenen, positiv gedeuteten emotionalen Erfah-
rungen, kommunikativ bestätigt und die Mobilisierung der letzteren unterstützt.
Mit Blick auf die Fragestellung dieser Studie ließe sich einwenden, dass diese
Erfahrungsfacette nicht unmittelbar zum Vergnügen an ludisch-virtueller Gewalt
gehört. Es geht, so könnte man argumentieren, um die Freude an der Weiterent-
wicklung eines virtuellen Körpers und die Freude am Sammeln von als wertvoll
imaginierten, virtuellen Gegenständen. Tatsächlich ergeben sich diese emotiona-
len Erfahrungen zumindest in Actiongames aber immer nur in Rückbezug zum
Leitprozess der ludisch-virtuellen Gewalt, und zwar in zweierlei Hinsicht.
Erstens setzt sowohl das Looten als auch das Leveln fast immer die erfolg-
reiche Ausübung ludisch-virtueller Gewalt oder zumindest die Auslieferung des
Avatars an eine Bedrohungssituation voraus. Wer wertvolles Loot finden will, der
muss an besonders gefährliche Orte gehen oder mächtige Endbosse töten, die
dann die Beute droppen. Und wer viele Punkte sammeln und eine höhere Stufe
erreichen möchte, der muss diese Punkte ebenfalls im Kampf erwerben. Zwar
gibt es in TESO auch Quests, die nichts mit Gewalt zu tun haben, aber diese sind
(genau wie im bekannten World of Warcraft) selten und bringen verhältnismäßig
wenig Punkte ein. Es gilt in jeder Hinsicht – und nicht nur bei TESO und DayZ,
sondern bei den meisten Actiongames: Wer stärker werden will, muss kämpfen.
Zweitens sind fast alle Gegenstände in Actiongames entweder auf einen ef-
fektiveren Schutz vor der Widerfahrnis virtueller Gewalt oder auf eine effektivere
Ausübung derselben ausgerichtet. Nur sehr wenige Gegenstände sind nutzloses
Beiwerk. Zwar gibt es beispielsweise in TESO auch Schmuck, Nahrungsmittel
273 | Wie auch das Aussprechen des Kürzels „Lol“ ist das gesprochene „GZ!“ Teil einer
Kommunikationskultur, die sich in der Anfangszeit des Online-Gamings auf Text-Chat be-
schränken musste und später einige der entstandenen Begriffe in die verbale Kommuni-
kation mit aufnahm.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364