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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL210
Schließlich kamen wir in dem kleinen Vorort einer deutschen Großstadt an,
in der die VeranstalterInnen zwei Turnhallen angemietet hatten. Schon auf dem
Parkplatz herrschte geschäftiges Treiben. PCs wurden von den fast ausschließlich
männlichen Besuchern – die meisten von ihnen zwischen 16 und 30 Jahre alt –
aus Kofferräumen ausgeladen und in die Halle geschafft. Als ich selbst die Halle
betrat, lächelte Skilly über mein erstauntes Gesicht und kommentierte: „Ja, das
ist schon was ganz anderes als beim letzten Mal.“ (FT) Ein Dutzend Koordinato-
rInnen waren mit der Anmeldung und Platzvergabe beschäftigt; rechter Hand
verkaufte ein auf Electronic Sport spezialisierter Hardwarehersteller seine Wa-
ren, beispielsweise eine Gaming-Maus, die auf einem großformatigen Plakat be-
worben wurde mit den Worten: „Express yourself with unrivaled precision“. (FT)
Vor uns eröffnete sich die Turnhalle, von deren eigentlicher Funktion kaum noch
etwas zu erkennen war. Ein Großteil der insgesamt sechshundert Spieler hat-
ten hier und in einer kleineren Nebenhalle bereits ihre PCs auf den zahllosen
Tischreihen aufgebaut und daneben Chipstüten und Energydrinks bereitgestellt.
Viele Spieler trugen professionell gestaltete Trikots aus dünnen Stoffen, die an
Sporttrikots erinnerten und auf denen die Logos von Sponsoren prangten. Die
Blackshades schämten sich geradezu für ihre dicken, weißen Kapuzenpullis,
die im Gegensatz zu den professionellen Outfits eher plump und amateurhaft
wirkten.
Neben Fox und Skilly waren drei andere Mitglieder des Clans anwesend, plus
ein befreundeter Spieler als „Moral Support“, wie er sagte. (FT) Auf einer Tischrei-
he in der Mitte der Halle bauten die fünf Spieler nebeneinander ihre PCs auf. Die
drei zentralen Turniere der LAN-Party fanden in den Spielen League of Legends
(eine Art Strategie-Actionspiel-Mischung), Battlefield 4 und Counter-Strike: Global
Offensive statt. Bei letzterem Spiel werden Wettkämpfe nach festgelegten Regeln
und für eine festgelegte Anzahl an Runden mit fünf gegen fünf Spielern aus-
getragen. Man spielt abwechselnd als Terroristen oder Antiterror-Einheiten. Die
eine Seite muss eine Bombe legen und zur Explosion bringen, die andere genau
das verhindern. Alternativ können alle Gegner ausgeschaltet werden. Wer tot ist,
muss bis zum Ende der Runde warten.
Das Antiterror-Szenario des Spiels war auf der LAN-Party (genau wie online)
quasi bedeutungslos. Nichts am Spielverlauf oder den sie umgebenden Kommu-
nikationsprozessen wies darauf hin, dass die Spieler Bezug auf das Kriegsnarra-
tiv oder gar den zeitpolitischen Hintergrund der Repräsentationen nahmen. Der
Antiterror-Hintergrund wurde vielmehr fraglos als integraler Bestandteil einer
über zehn Jahre gewachsenen Spielkultur akzeptiert, in der ein kompetitiver Leis-
tungsvergleich im Vordergrund steht.
Bis das offizielle Counter-Strike-Turnier in Gang kam, vergingen mehrere
Stunden, in denen die Spieler unter anderem ihren „Warmup“ auf einem speziell
dafür zur Verfügung gestellten Server (d.h. hier, einem für alle Spieler zugäng-
lichen virtuellen Spielraum) durchführten. (FT) Die ebenfalls aus konventionel-
len Sportarten entlehnte Vorstellung eines Aufwärmens meint hier weniger das
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364