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KOMPETITIV UND KOOPERATIV 213
Draußen vor der Halle gönnten sie sich daraufhin erst einmal ein Bier mit
Zigarette. Taktiken wurden nochmals besprochen, mögliche Spielvarianten zur
Debatte gestellt, Positionswechsel ins Auge gefasst. Die Stimmung war jetzt wie-
der zuversichtlich, insbesondere Fox war fröhlich aufgedreht. Als sich einer sei-
ner Kumpels über seine dünnen Handgelenke lustig machte, konterte er: „Aber
geht rein mit, ne?“ – meinend: aber er trifft mit dieser Hand gut – „Für ne Maus
reicht’s!“ (FT)
So kämpften sie sich weiter durchs Turnier. Über manche Gegner liefen sie,
wie es Fox formulierte, „kurz drüber“ (FT), an anderen scheiterten sie dagegen
kläglich. Nach mehreren Spielen bis tief in die Nacht, gefolgt von nur wenigen
Stunden Schlaf und weiteren Spielen am Vormittag des kommenden Tages,
standen sie schließlich vor der Entscheidung: Sie mussten das beste Team ihrer
Gruppe mit mindestens 16 zu 4 besiegen, um im Turnier weiterzukommen. Zwar
kämpften sie verbissen um diesen Sieg, doch sie schafften nur einen Gleichstand
und schieden bereits in der Vorrunde aus. Enttäuschung machte sich breit.
Während sie nun etwas ziel- und lustlos vor ihren Rechnern saßen, kam es
eine Tischreihe weiter zu einer plötzlichen Menschenansammlung. Zwei der
Top-Counter-Strike-Teams trugen hier gerade ein Match aus, als die Organisa-
torInnen das Spiel unterbrachen. Der Grund: Cheating-Verdacht. Eine anonyme
Person hatte einen der Spieler beschuldigt, Cheats beziehungsweise Hacks zu
verwenden, die ihn im Spiel besser treffen lassen.26 Auch im Online-Alltag von
Counter-Strike wird dieser Vorwurf regelmäßig geäußert.27 Tatsächlich hatte der
hier auf der LAN-Party beschuldigte Spieler, so erklärte mir Fox, früher mit Leu-
ten zusammengespielt, die allesamt als Cheater entlarvt und daraufhin aus der
ESL verbannt wurden. Seitdem sei auch er als Cheater stigmatisiert, obwohl ihm
niemals ein Betrug nachgewiesen wurde. Während sich ein technischer Admi-
nistrator über den Rechner des Beschuldigten beugte und dessen Festplatte nach
verdächtigen Dateien durchsuchte, versammelten sich immer mehr Menschen
hinter ihnen und warteten gespannt auf das Ergebnis. Dann aber Entwarnung:
Alles legitim, der Wettkampf konnte weitergehen.
Inzwischen hatten auch die Blackshades wieder neuen Mut gefasst. Es wurde
ein sogenanntes „Loser-Bracket“ eröffnet, ein zweites Turnier, in dem diejenigen
Teams antreten durften, die in der Vorrunde ausgeschieden waren. (FT) Fox war
jetzt wieder gut drauf. Beim ersten Spiel in diesem zweiten Turnier stimmte er
– wie im Auto angekündigt – eine fußballmäßige Hymne an: „Nineshaaapes,
ohooo!“ Genauso lautstark rief er immer wieder „Wuuuuh!“ und „Yeah!“, wenn
ihm oder seinen Teamkollegen eine gute Aktion gelang. (FT) Das erste Spiel hatte
26 | Vgl. ausführlich zum Thema Cheating Mia Consalvo: Cheating. Gaining Advantage
in Videogames. Cambridge, MA 2007; Julian Kücklich: Forbidden Pleasures. Cheating in
Computer Games. In: Melanie Swalwell/Jason Wilson (Hg.): The Pleasures of Computer
Gaming. Jefferson, NC 2008, S. 52-71.
27 | Vgl. dazu ausführlicher Bareither: Ego-Shooter-Spielkultur, S. 83-87.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364